Die Klever Innenstadt hat eine neue Hoffnungsträgerin

Zunehmende Bürokratie, fehlendes Personal, drohende Dauerbaustellen im Vorfeld der Landesgartenschau – die Sorgen um die Zukunft der Innenstadt sind groß. Die Leerstände in der Fußgängerzone werden auch eine der größten Baustellen von Verena Rohde, die am Dienstag als Wirtschaftsförderin in Kleve startet. Bei der Zukunftswerkstatt präsentierte sie erste Ansätze.

Rheinische Post vom 29.03.2025

An der Debatte nahmen v.l. der leitende RP-Regionalredakteur Andreas Gruhn, Gaby Kreusch (Wollgeschäft yarndesign), Ingo Marks („& More“-Geschäfte), die künftige Klever Wirtschaftsförderin Verena Rohde, Marc Wiederuh (Prokurist Volksbank Kleverland), Susanne Rexing (Einrichtungshaus) sowie RP-Redakteur Maarten Oversteegen teil.
An der Debatte nahmen v.l. der leitende RP-Regionalredakteur Andreas Gruhn, Gaby Kreusch (Wollgeschäft yarndesign), Ingo Marks („& More“-Geschäfte), die künftige Klever Wirtschaftsförderin Verena Rohde, Marc Wiederuh (Prokurist Volksbank Kleverland), Susanne Rexing (Einrichtungshaus) sowie RP-Redakteur Maarten Oversteegen teil. Foto: Markus van Offern (mvo)

Von Maarten Oversteegen

Die Krise der Klever Innenstadt wird schon seit Jahren seziert. Meinungen gibt es zuhauf, Konzepte und Ideen, wie die Trendwende gelingen könnte, sowieso. Nur: „Die Umsetzung war bislang eher sparsam“, sagte Volksbank-Prokurist Marc Wiederuh bei der Zukunftswerkstatt von Volksbank Kleverland und Rheinischer Post. Mit anderen Worten: Es bräuchte jemanden, der die vielen Vorschläge und Protagonisten kanalisiert, zusammenführt, der einem Neustart ein Gesicht geben könnte.

Am Montagabend drängte sich der Eindruck auf, dass Verena Rohde, die bisher in Kevelaer Wirtschaftsförderin war und ab Dienstag die städtische WTM in Kleve leitet, genau diese Antreiberin sein könnte. Die Einzelhändler Gaby Kreusch, Susanne Rexing und Ingo Marks zeigten sich jedenfalls schwer angetan von dem Neuzugang. Viele ihrer Worte dürften wie Musik in den Ohren der Unternehmer geklungen haben. „Ich bin ein Arbeitstier und möchte etwas bewegen. Es soll angepackt werden“, sagte Rohde. Oder: „Wir müssen an den Leerstand ran, das wird ein Brett.“

Susanne Rexing hatte vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass sie ihr Einrichtungshaus an der Kavarinerstraße Ende Juni schließen werde. Sie konnte sich über Jahrzehnte hinweg auf Kunden mit Anspruch verlassen. „Es ist ein blödes Gefühl, die zu sein, die nach 133 Jahren mit dem Familienunternehmen aufhören muss“, sagte Rexing. Nur sei die Entscheidung unausweichlich gewesen, gesundheitliche Gründe seien ursächlich, zudem fehlten Personal und Nachfolger. Man habe „nur eine begrenzte Zeit für Selbstausbeutung“, sagte Rexing. „Es gibt auch ein Leben danach.“ Es sei heute fast unmöglich, den Nachwuchs von einer Selbstständigkeit im Einzelhandel zu überzeugen. Man sei nämlich „selbst und ständig“, den Stundenlohn rechne man besser nicht aus, sagte die Einzelhändlerin. „Junge Leute haben andere Vorstellungen.“

Gaby Kreusch, Vorsitzende der Werbegemeinschaft Kavarinerstraße (Kreusch: „kleine Kasse, viel Ehrenamt“) und Chefin des Wollgeschäfts „yarndesign“, sieht in ihrer Branche eine neue Generation auf dem Vormarsch: „Viele junge, spannende und lebendige Menschen haben Interesse.“ Dass dieser Trend zu vielen Geschäftseröffnungen führt, sei indes unwahrscheinlich. Immerhin sei der Einzelhandel ein schwieriges Unterfangen geworden: Die Buchhaltung etwa nehme immer mehr Raum ein. „Das beeinträchtigt den Spaß doch sehr.“ Auch Rexing erkennt eine ausufernde Bürokratie: „Das Misstrauen vom Staat ist groß.“ Ingo Marks, der in der Region insgesamt 20 Geschäfte führt für Blumen, Tabak oder Spielwaren, acht davon im Herzen Kleves, meinte: „Die Bürokratie ist unglaublich anstrengend.“

Und doch hat sich Marks nicht ausbremsen lassen, sein „Imperium“ wächst weiter. Neue Geschäfte seien bereits in Planung, sagte der Klever. Dass er die Fußgängerzone der Kreisstadt mittlerweile mitprägt, sei gewissermaßen Ehrensache: „Ich mag die Klever Innenstadt sehr gerne.“ Ein Problem aber seien die hohen Mieten in bester Lage. „Früher gab es einen Hype, da konnte man im Einzelhandel wirklich richtig viel Geld verdienen. Das ist aber vorbei, gerade nach Corona“, sagte Marks. Und Rexing forderte: „Die Vermieter müssen runter mit den Mieten.“

Viele Immobilieneigentümer hätten auf die Trends der vergangenen Jahre aber noch nicht reagiert. Schwierig seien Verhandlungen vor allem mit Inhabern, die von auswärts kommen. „Wenn sie ihren Sitz in Kleve haben, kann man reden“, sagte Marks. Beim Gang durch die Innenstadt wird indes offenkundig, dass viele Eigentümer ihre Geschäftsimmobilien loswerden wollen. Erklärungsansätze? Marks spricht von einer Art „Torschlusspanik“, ehe die Arbeiten zum Innenstadtumbau im Vorfeld der Landesgartenschau 2029 beginnen. Etwa zehn Millionen Euro sollen investiert werden, es droht eine Dauerbaustelle.

Marks forderte, dass die Umbauarbeiten so schnell wie möglich über die Bühne gehen. „Die Innenstadt darf nicht für anderthalb Jahre gesperrt werden“, sagte Marks. Auch Kreusch warnte, dass dann noch mehr Leerstände entstehen könnten. Unisono betonten die Einzelhändler zudem, dass es zwar richtig sei, für mehr Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu sorgen. Marks schlug vor, im Rahmen dieser Überlegungen auch den Elsa-Brunnen zu verkleinern, um etwa für Außengastronomie mehr Platz zu schaffen.

Es sei aber falsch, Autofahrern noch mehr Raum und Parkplätze zu nehmen. „Wenn wir das machen, kommt kein Holländer mehr“, warnte Marks. Rexing fügte an: „Die Niederländer zahlen gerne fürs Parken.“ Schließlich seien sie das aus der Heimat gewöhnt, und die Tarife seien im Nachbarland deutlich kostspieliger. Dass die Niederländer die Lebensversicherung des hiesigen Handels sind, ist keine neue Erkenntnis. Sie fühlen sich wohl in Kleve, auch wenn längst nicht alle für sensationelle Umsätze in den Geschäften (abseits von Drogerie und Supermarkt) sorgen. Ingo Marks sagte: „Wenn ich für jedes Mal, dass ich ´mooie winkel´ höre, einen Euro bekommen würde, wäre ich reich.“

Verena Rohde zeigte sich interessiert, sie notierte Vorschläge der Praktiker. Und sie kündigte eine Maßnahme an, die viele Händler schon seit Jahren fordern: Zum 1. Juli will Rohde einen City-Manager einstellen, der den Draht zwischen WTM (also Stadt) und Händlern stärken soll. Es warten reichlich Aufgaben auf sie, Rohde sagte aber auch: „Es gibt viel Potenzial in Kleve.“ Auch die Möglichkeiten, Kunden aus den Niederlanden anzuwerben, seien noch nicht voll ausgeschöpft. Um das Potenzial zu heben, soll geackert werden, sagte die neue WTM-Chefin. Sie werde ihre Stelle nicht als „Nine-to-five-Job“ ausfüllen, sie wolle, dass man in Kleve den Eindruck hat, dass mit Blick auf die Innenstadt nicht nur erzählt, sondern angepackt wird. Und dabei freilich auch die „große“ Wirtschaft, etwa die Industriebetriebe in den Gewerbegebieten, nicht vergessen.

Andreas Gruhn, leitender Regionalredakteur der Rheinischen Post und Moderator der Debatte, hakte zum Abschluss nach, welche Geschäfte sich die Diskutanten in Kleve wünschen würden. Ingo Marks schlug ein Geschäft für Lego-Klemmbausteine (seine große Leidenschaft) vor, Gaby Kreusch wünscht sich eine bessere Schuh-Auswahl und einen Blumenladen im Unterstadtbereich. Susanne Rexing wiederum träumt von einem Künstlerbedarf- oder Bastel-Laden im Herzen der Kreisstadt. Verena Rohde hat die Wünsche gehört, rechtzeitig vor Amtsantritt. Volksbank-Vertreter Wiederuh glaubt, dass die Innenstadt durchaus noch interessant ist für Einzelhändler, und das werde sie auch bleiben: „Vieles spricht für Kleve.“