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Gruppenfoto der Teilnehmer Zukunftswerkstatt

Bei der Zukunftswerkstatt ging es diesmal um die ausgeweiteten Kontrollen an den Grenzen. Es diskutierten (von rechts): Josef Gietemann, Andreas Gruhn, Freddy Heinzel, Severin-Peter Seidel, Andreas Kochs, Wolfgang Gebing, Günther Bergmann, Anja Settnik. Foto: Markus van Offern (mvo)  

Problem Grenzkontrollen: „Vor allem samstags kommen kaum noch Niederländer“

Rheinische Post vom 29.06.2025 - von Anja Settnik

Sind verschärfte Grenzkontrollen richtig, um illegale Migration einzudämmen, oder erschweren sie die deutsch-niederländische Freundschaft? Bei der Zukunftswerkstatt der Rheinischen Post und der Volksbank Kleverland wurde klar, wie gravierend die Folgen bereits sind. Und wie sehr die Meinungen dazu auseinandergehen.

Seit bald zwei Monaten dauern die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verordneten schärferen Grenzkontrollen bereits an. Das bekommen auch die Menschen im Kreis Kleve an der niederländischen Grenze zu spüren. Denn der erwünschte Effekt, dass die illegale Migration eingedämmt wird, geht einher mit Unbequemlichkeiten für die Bürger. Bei der jüngsten Zukunftswerkstatt der Rheinischen Post und der Volksbank Kleverland ging es daher um diese Frage: „Verschärfte Grenzkontrollen zwischen Deutschland und den Niederlanden – mehr Schaden oder Nutzen für die deutsch-niederländische Freundschaft?“ Denn der erwünschte Effekt, dass die illegale Migration eingedämmt wird, geht einher mit Unbequemlichkeiten für die Bürger. Kontrollen der Bundespolizei an den Grenzen führen zu Staus, Bewohner von Orten wie Elten, das als Ausweichroute genutzt wird, klagen über die hohe Verkehrsbelastung.

Zur Debatte eingeladen waren der CDU-Landtagsabgeordnete und Kreisparteichef Günther Bergmann, Kleves Bürgermeister Wolfgang Gebing (CDU), sein Stellvertreter Josef Gietemann (SPD), Freddy Heinzel als Honorarkonsul der Niederlande in Kleve und Andreas Kochs, Geschäftsführer der Euregio Rhein-Waal. Die Volksbank war repräsentiert durch ihr Vorstandsmitglied Severin-Peter Seidel. Alle Beteiligten kennen sich vor Ort aus, wenn auch mit jeweils eigenem Schwerpunkt. Eine muntere Debatte entspann sich, die durchaus kontrovers verlief. Was zum Teil an der parteipolitischen Bindung lag, aber auch am jeweiligen beruflichen oder gesellschaftlichen Aufgabenspektrum.

Die erste Frage von Andreas Gruhn, Leitender Regionalredakteur der Rheinischen Post im Kreis Kleve, ging an den Abgeordneten: Gelingt Bundesinnenminister Dobrindts Anordnung, durch die Zurückweisung von Asylbewerbern an den Grenzen Migration einzudämmen und ist der Preis, damit zeitweise Schengen-Grundsätze außer Kraft zu setzen, angemessen? Seit 1995 gilt schließlich in weiten Teilen Europas ein freier Personenverkehr ohne entsprechende Kontrollen an den Binnengrenzen. Jüngere Menschen aus dem Kreis Kleve können sich an Schlagbäume und den ernsten Blick ins Autoinnere durch den „Grenzer“ kaum mehr erinnern. Bergmanns Antwort: Natürlich wollten die Menschen hierzulande den „kleinen Grenzverkehr“ schnell zurück, aber schon der erzielte „Beifang“ an Straftätern sei „exorbitant“. Täglich würden Haftbefehle vollstreckt und dem Klever Gefängnis Untersuchungshäftlinge zugeführt, harte Drogen wie Crystal Meth würden einkassiert. „Und von den Kontrollen geht ein erhebliches psychologisches Signal aus: Der illegale Grenzübertritt kann leicht misslingen. Die Schleuser machen sich die Taschen voll auf dem Rücken der Menschen in Not“, so Bergmann. Das müsse verhindert werden.

Was nimmt der Bürgermeister vorrangig wahr – eventuell den Kaufkraftverlust durch wegbleibende Niederländer? „Auf jeden Fall; der Handel klagt, dass vor allem samstags kaum noch Niederländer nach Kleve kommen“, sagte Gebing. Und das, obwohl es linksrheinisch kaum Kontrollen gebe. Aber auch hier wirke wieder die Psychologie: Die Menschen nehmen die Nachricht wahr, dass mit Kontrollen zu rechnen ist, und verzichten deshalb auf den Trip an den Niederrhein. „Wir müssen in Kürze durch Zusammenarbeit mit der Polizei auf beiden Seiten andere Wege der Kontrolle finden“, warnte der Bürgermeister.

Freddy Heinzel vertritt als Honorarkonsul die Interessen der Niederländer im Kreis Kleve. König Willem-Alexander hat ihn kürzlich für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Der Rechtsanwalt, der sich auch für gute Handelsbeziehungen einsetzt, nennt die vermehrten Kontrollen für den europäischen Gedanken „verheerend“. Das Projekt Schengen (Freizügigkeit in Europa) sei mit Begeisterung begonnen worden, aber es funktioniere offenkundig nicht. Und der „Beifang“ an Straftätern neben der Zurückweisung illegaler Migranten sei doch kaum mehr als Symbolik. „396 Kilometer Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland kann man nicht effektiv kontrollieren.“ Heinzel, selbst CDU-Mitglied, warnt seine Parteifreunde davor, „den rechten Rand zu bedienen“. Wer überzeugt davon sei, dass es richtig sei, die Grenzen zu schließen, wähle ohnehin „das Original“, sprich die AfD.

Das will Bergmann nicht so stehen lassen: „Es geht nicht darum, den Rechtspopulisten hinterher zu laufen. Wenn aber 20 Prozent der Bevölkerung merken, dass ein Thema weitgehend ignoriert wird, ist das ein politischer Fehler.“ Die Umstände an den Grenzen müssten dafür jetzt mal eine Weile ertragen werden.

Josef Gietemann ist froh darüber, dass man die Bundespolizei in Kleve habe, die ihr sehr fähiges Personal optimal einsetze. Viele Überstunden würden geleistet – „über das Resultat kann man allerdings streiten“. In seinen Augen werden eher wenige illegale Migranten aufgegriffen, „und wenn die Schleuser erfahren, wo kontrolliert wird, schicken sie die Menschen eben anderswo über die Grenze.“ Das sieht auch Andreas Kochs als Problem an. Niederländer berichteten ihm von verstopften Dörfern und Problemen auf Schleichwegen. Er hoffe sehr, dass die intensiven Grenzkontrollen gerade an der A 3 nicht mehr lange andauern. Wenn er Termine mit Niederländern bei der Euregio mache, rechne er derzeit grundsätzlich damit, dass sich die Kollegen um eine Stunde verspäten.

Bald sind Sommerferien – wie wird sich die Situation auf den Tourismus auswirken? „In Richtung Niederlande gibt’s ja kein Problem“, sagte Günther Bergmann scherzhaft. Und Wolfgang Gebing, der bald wieder die Amelandlager besuchen wird, geht davon aus, dass die Klever wie er selbst Alternativen zum Autobahngrenzübergang nutzen werden. Oder etwas mehr Zeit einplanen – das sei bei Touren in den Süden schließlich ganz normal.