Für die eine ist das Glas schon gut gefüllt und wird zum gesetzten Ziel voll sein, für den anderen ist nichts passiert, blieb das meiste liegen und geht alles viel zu langsam. Claudia Dercks, Geschäftsführerin der Stadtwerke Kleve, und Jannik Berbalk, SPD-Ratsherr und vormals Sprecher von Fridays for Future in Kleve, waren die beiden Pole, die die lebhafte Diskussion der Zukunftswerkstatt von Volksbank Kleverland und Rheinischer Post bestimmten. Die fragte nämlich unter der Moderation durch den Leitenden Regionalredakteur der RP in Kleve, Andreas Gruhn: „Was hat Kleve sechs Jahre nach dem ausgerufenen Klimanotstand im Bereich Klimaschutz erreicht – und was nicht?“
Zum Hintergrund: Kleve hat seit 2014 schon einen Klimafahrplan und rief dann 2019 auf Antrag von Fridays for Future den Klimanotstand aus. Die Schwanenstadt war die erste Kommune im Kreis, die das umsetzte. Alle Themen, die ab diesem Zeitpunkt in Kleve diskutiert und beschlossen wurden und werden, müssen sich seither dem Thema Klimaschutz stellen. Dazu schuf Wolfgang Gebing nach seiner Wahl zum Bürgermeister einen dafür zuständigen Fachbereich – auch als erste Stadtverwaltung im Kreis Kleve. Dieser „Fachbereich 64 - Klimaschutz, Umwelt und Nachhaltigkeit“ hat sich inzwischen etabliert und arbeitet, sagte Fachbereichsleiter Dirk Posdena in der Zukunftswerkstatt, an einem neuen Klimaschutzkonzept, das 2026 vorliegen soll. Sein größtes Problem, so Posdena auf Nachfrage von Gruhn: „Die sich ständig ändernden Vorgaben.“
Dabei ist die Lage beim Klima Ernst, so Bürgermeister Gebing. „Wir können zwar in Kleve nicht die Welt retten, aber es ist wichtig, dass wir vor Ort bei uns anfangen und Maßnahmen ergreifen“.
so der Bürgermeister mit Verweis auf lange Genehmigungsverfahren sowie Einsprüche von Verbänden und von Bürgern bei entsprechenden Planungen: „Wir können da keine kurzfristigen Änderungen erwarten, und wir können auch nicht alles gleichzeitig und sofort umsetzen.“
Das sah auch sein Herausforderer um das Amt des Bürgermeisters, Markus Dahmen, nicht anders. „Es gibt eine Masse von Maßnahmen, die nicht alle gleichzeitig anlaufen können, da müssen wir Prioritäten setzen“. Allerdings konnte Dahmen als Leiter des Rechnungsprüfungsamtes feststellen, dass es für städtische Gebäude nur noch einzelne Rechnungen für Brennstoff von Ölheizungen gibt.
Michael Bay (Grüne) sprach von einer Sisyphos-Arbeit. Man dürfe sich den Stein wälzenden Griechen als glücklichen Menschen vorstellen: „Wir müssen mit viel Geduld und Kleinarbeit die Menschen überzeugen, dass wir in einem Umwandlungsprozess stecken. Aber wir müssen endlich zu Potte kommen und handeln. Geredet wurde genug.“ Wenn Kleve das Tempo so beibehalte, könne man die Klimaneutralität 2045 nicht erreichen. Man müsse zudem verstärkt Windenergie und Solarenergie ausbauen und private Initiativen unterstützen, so Bay.
Ausbau erneuerbarer Energien
Dercks hatte Faken mitgebracht: Seit sie 2019 die Leitung der Stadtwerke übernommen habe, sei der Anteil der Erneuerbaren von sieben Prozent auf 18 Prozent gestiegen. Dieses Jahr seien zwei Megawatt dazu kommen, 2026 folgen zusätzlich 26 Megawatt. Sie sei überzeugt, dass die Stadtwerke schon vor 2030 das Ziel von 50 Prozent erneuerbarer Energien erreicht haben wird. „Wir als Stadtwerke sind hier nicht die Blockierer“, so Dercks. Doch nicht nur beim Ausbau der erneuerbaren Energien sei man vorangekommen: Auf dem Programm stehen zudem Planungen zum Leitungsausbau, der gesetzlich vorgeschriebene Austausch alter Zähler und Verhandlungen über Plätze, wo man Batteriespeicher hinstellen kann.
Wärmebedarfsplanung
Bleibt die Lösung für das Problem, dass 90 Prozent aller Eigentümer von Bestandsimmobilien in Kleve noch mit fossiler Energie (Gas oder Öl) heizen. Mit Blick auf die energietechnische Sanierung, räumte Frank Rosar, Generalbevollmächtigter der Volksbank Kleverland, ein: Das sei sehr teuer und es brauche einen enormen Beratungsaufwand – da kümmere sich der Häuslekäufer erst um andere Dinge. Hier macht Claudia Dercks Hoffnung auf eine Alternative zu Öl und Gas auch jenseits der Wärmepumpe: „Die Wärmeplanung ist zusammen mit der Stadt Kleve in Vorbereitung. Wir haben inzwischen eine Bestandsaufnahme gemacht und haben in Kleve gute Voraussetzungen für Nahwärme aus Tiefengeothermie“, sagt Dercks. Auch bei der Netzverlegung dafür gebe es gute Voraussetzungen, es seien entsprechende Förderanträge gestellt. Damit könnten, das bestätigte Gebing, die Kernbereiche der Stadt Kleve versorgt werden. Aber immer unter der Prämisse: „Das muss für den Verbraucher darstellbar und vor allem bezahlbar sein“, so Derks. Posdena warf in die Diskussion ein, dass die Stadt bald Satellitenbilder habe, die aufzeigen, welche Gebäude wie viel Energie verlieren. „Wir haben auch Wärmebildkameras gekauft“, sagt Posdena. Und was den Beratungsbedarf angehe: Die Stadt helfe gerne und berate Klever Bürger auch: „Es reicht eine Mail an den Klima-Manager.“
Verkehrswende
Gerade bei der Mobilität, wo die Stadt hätte eingreifen können, sei nichts passiert (FFF hatte beispielsweise beantragt, die Hafenstraße für den Durchgangsverkehr zu schließen), sagte Jannik Berbalk. Das Gutachten zum Mobiltätsentwicklungskonzept sei eine riesige Enttäuschung gewesen, ein Fiasko mit 867 aufgelisteten Maßnahmen. „Wir scheitern auch beim Verkehr immer wieder an Denkblockaden“, so Berbalk. Das betreffe auch den Ausbau des Radwege-Netzes, wo die Stadt Fahrradstraßen einrichte, in denen letztlich aber der Autoverkehr weiter dominiere. Gebing hielt dem entgegen, dass die Stadt weiter am Fahrradkonzept arbeite. Er habe als intensiver Nutzer des Fahrrads allerdings auch gute Erfahrungen mit dem bisherigen Ausbau gemacht. Allerdings gestand Gebing auch ein, dass er morgens auf dem Weg ins Rathaus Wege durch den Park nutze, die so eigentlich erlaubt seien.
Schwammstadt
Hier ist für Berbalk und Bay erkennbar nicht viel geschehen. Gebing sah immerhin, dass man in neuen Baugebieten wie bei der Klimaschutzsiedlung am Mühlenberg auf Rigolen setze, die das Wasser zunächst halten, statt es schnell abzuführen. Bei ihren Neubauten setze die Stadt auch auf Gründächer, die zunächst einmal Wasser halten. Bay bemängelte, dass der seit Jahren diskutierte Fallschacht zur Entlastung der Kaskade und zur Kühlung des Wassers nicht vorangekommen sei. Er mahnte an, dass auch der Hang zum Kermisdahl dringend in Angriff genommen werden müsse, sonst drohe der Kreisverwaltung und den Häusern auf der Kante der Absturz in die Niederung.
Zukunft
Die Netze und digitale Tools werden ausgebaut, erneuerbare Energien mit PV und Windkraft, Batteriespeicher und die Wärmbedarfsplanung werden weiter vorangetrieben, so Dercks. Markus Dahmen möchte, wenn er Bürgermeister wird, über Förderungen Anreize setzen, Mängel beim Radverkehr nachbessern und vor allem priorisieren. „Da müssen wir die Bürgerschaft einbinden, wo der Schuh am meisten drückt“. Bürgermeister Wolfgang Gebing möchte die Wärmeplanung umsetzen, die noch nicht sanierten städtischen Gebäude auf den neusten klimatechnischen Stand bringen, so wie bereits bei den neuen Schulen und Schulsanierungen. Er möchte zudem endlich die Planung für die Hauptwache der Feuerwehr voranbringen, die vor allem auch energietechnisch mehr als überholt ist. Was die Klimaanpassung betreffe – beispielsweise mehr Grün in die Stadt und an die Gebäude oder als Schattenspender – sei die Stadt in Arbeit. „Da werden wir viel machen“, sagte Posdena.