Von Ludwig Krause
FDP-Spitzenkandidat Stamp in Moyland
Der Vize-Ministerpräsident sprach auf Einladung der Volksbank über Verantwortung.
BEDBURG-HAU | Es sollte explizit kein Wahlkampfauftritt werden, betonte Joachim Stamp. Zehn Tage vor der Wahl als Spitzenkandidat der FDP in Nordrhein-Westfalen fällt das natürlich nicht leicht. Auf Einladung der Volksbank Kleverland war Stamp zu den „Schlossgesprächen“ auf Schloss Moyland in Bedburg-Hau gekommen, um nach einer kurzen Einleitung des Vorstandsvorsitzenden Frank Ruffing über das Thema „verantwortlich Handeln“ zu sprechen.
Es wurde ein Ausflug von Aristoteles zu Max Weber („Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“) – als stellvertretender Ministerpräsident ging es natürlich aber auch um ganz konkrete Entscheidungen, die zu treffen sind. Es gebe dabei Veränderungen, die gewollt und planbar seien – und sogenannte externe Schocks auf die kurzfristig reagiert werden müsse, erklärte Stamp. Dazu zähle er etwa den 11. September, die Flüchtlingskrise, die Corona-Pandemie oder jetzt eben den Ukraine-Krieg. „Ich habe den Mauerfall weinend vor dem Fernseher erlebt. Nie habe ich mir danach so etwas vorstellen können, wie wir es dieser Tage erleben.“ Und doch ist der Angriffskrieg Russlands Realität, der verantwortliches Handeln nötig mache. „Wir stehen vor den Scherben deutscher Außenpolitik. Die Entscheidungen, die wir dieser Tage treffen, werden die nächsten Dekaden prägen.“ Deutsche Politik sei immer dann erfolgreich gewesen, wenn man mit Maß, Mitte und Stückwerk gehandelt habe. „Erratische Entscheidungen sind oftmals nicht die verantwortlichsten. Was aber umgekehrt nicht heißt, dass manche Entscheidungen nicht schneller getroffen werden müssen“, sagte Stamp und nannte Planungsprozesse als Beispiel. Effizienz sei dabei aber nicht die einzige Richtschnur, wie ein Blick nach China zeige. Es benötige auch einen funktionierenden Wertekompass.
Mit Sorge beobachte er, wie Diskussionen in der Gesellschaft immer mehr verflachen würden. Zum einen hat Stamp soziale Medien als Ursache ausgemacht. Zum anderen empfinde er es als Problem, so der stellvertretende Ministerpräsident, dass klassische Medien im Internet zunehmend Geld für Ihre Artikel verlangen würden. „So lesen die Menschen nur noch die Überschriften“, sagte Stamp. Nun müssen Verlage aber auch Geld verdienen. Dafür, sagte Stamp, müssten sich Verleger etwas einfallen lassen – eine Lösung habe er nicht parat. Wer von verantwortlichem Handeln spreche, müsse aber auch Fehler eingestehen können, so Stamp. So etwa seine eigene Fehleinschätzung, dass man den 3. Oktober vergangenen Jahres als „Tag der Freiheit“ feiern sollte. Es folgte ein weiterer heftiger Corona-Winter.
Der letzte Gast der Schlossgespräche in Moyland sei anschließend Ministerpräsident geworden, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Volksbank Kleverland Wilhelm Wolters. Ob es Joachim Stamp gelingt, das Kunststück von Hendrik Wüst nachzumachen? Am 15. Mai ist Wahl, die FDP liegt in Umfragen zwischen sieben und acht Prozent.
Quelle: Rheinische Post