Musiker entführen in Moskauer Nächte

Ein Musiker muss wissen, wie die Krawatte richtig gebunden wird - gehört sie doch zum Outfit der Kapelle. Der normale Knoten ist noch einfach, der Windsor wird zweimal geschlungen und der Manhattan kann so richtig viel zu dick werden. Wie?s geht, das präsentiert der Musikverein Kranenburg für alle nicht Knotenfesten Mitglieder auf seiner Homepage. Vor jedem Auftritt aktuell, schwarz-weiß auf mittelblauem Grund - den Vereinsfarben.

Doch die Musiker sollen mit ihren perfekten Krawattenknoten nicht nur gut aussehen, vor allem sollen ihre Instrumente gut klingen, das Orchester soll zu einem Klangkörper werden. Tuben, Klarinetten, Saxophone, Flöten, Schlagwerk und Trompeten sich zu einem gesamten Ganzen vereinen, zu Musik werden. Damit das klappt, muss regelmäßig geübt werden. Und vorher sollte der Musiker früh angefangen haben, sein Instrument zu lernen. Wenn er es beherrscht, kann er im Orchester mitspielen. Als Lisa Herzogenrath ihrer Klarinette die ersten Töne entlockte, war sie zehn Jahre alt und hieß noch Fischer. Geübt wurde damals wie heute in kleinen Gruppen, mindestens einmal die Woche. Tonleitern, Akkorde, einfache Lieder, dann schwierigere Arrangements. Heute gehört sie als Klarinettistin zum Orchester, ist 28 Jahre alt und Kassiererin im Verein.

Das verantwortungsvolle Ehrenamt lag auf der Hand - ist Herzogenrath doch gelernte Bankkauffrau und in der Kalkarer Filiale der Volksbank Kleverland Sachbearbeiterin für private Baufinanzierung. Mit anderen Worten: Die Klarinettistin kennt sich mit Zahlen aus.

Einmal in der Woche wird geprobt, direkt am Bahnhof in Kranenburg, gegenüber dem Cafehaus Niederrhein. Denn über 30 Auftritte stehen unter dem Dirigat von Jana Joeken im Jahr an - das Jahreskonzert in Kranenburg und das Forstgartenkonzert in Kleve gehören zu den Höhepunkten, sagt Herzogenrath. Auch wegen der geselligen Abende hinterher.

Auf den Konzerten spielen die Kranenburger die ganze Bandbreite für Blasorchester arrangierter Musik - von Richard Strauss? „Also sprach Zarathustra“ über Whitney Houstons „One Moment in Time“ bis zum schmissigen „Radetzky-Marsch“. Manchmal entführen sie auch in „Moskauer Nächte“. Und das Jugendorchester befasst sich mit Peter Maffays „Tabaluga“. „Die Kleinen fangen inzwischen meist in der Flötenbande an, werden so an Tonleitern, Noten und Harmonien herangeführt, bis sie dann mit den größeren Instrumenten weitermachen können, sich für Klarinette oder Sax, Tuba oder Horn entscheiden. Zunächst wird auf vereinseigenen Instrumenten gelernt“, erklärt Lisa Herzogenrath.

Wenn der Nachwuchsmusiker merkt, dass der Spaß an der Musik überwiegt, schafft er sich in der Regel ein eigenes Instrument an. Momentan spielen 22 Ausbildungskinder im Verein. 30 bis 35 Musiker bilden den Musikzug, der auftritt, insgesamt hat der Verein 73 Mitglieder, von denen 45 aktiv mit dem Instrument dabei sind. Gegründet wurde der Verein 1923, fand sich nach einer Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg 1948 wieder zusammen. „Mehrere Jahre sind wir auch mit dem Kölner Karnevalszug gezogen“, sagt Herzogenrath. Doch die Strecke ist lang und  anstrengend. Und zum Schluss bekam man nicht mehr die nötigen Musiker zusammen. Das Problem: Das Geld, das der Musikverein für die Musik auf dem Zug einnahm, fehlt in der Kasse. „Wir versuchen, das mit anderen Einnahmen zum Beispiel aus dem Jahreskonzert auszugleichen. Aber wir sind natürlich auf Spenden angewiesen“, sagt die Kassiererin. So, wie jetzt auf die Spende der Volksbank Kleverland. „Damit werden Regenjacken angeschafft. Denn gerade jetzt auf  Weihnachtsmärkten oder bei den Martinsumzügen ist warme, regensichere Kleidung wichtig. Und wie ein Karnevalszug ohne Musikzug kein richtiger Karnevalszug ist, wären Weihnachtsmärkte und
Sankt-Martins-Feiern ohne Musik viel ärmer.