Zukunftswerkstatt

Kampf der Kinderarmut

Gibt es in Kleve Kinderarmut? Das war die Frage, zu der acht Fachleute in der jüngsten Zukunftswerkstatt von Volksbank Kleverland und Rheinischer Post diskutierten. Markus Möllmann, Vorsitzender des Klever Kinder Netzwerks (KKN), bekannte dabei freimütig, dass er dieses Thema eher in Großstädten verortet hätte – bevor er sich in Kleve eingehender mit der Materie befasste.

Vor etwa einem Jahr entschloss er sich dann, den gemeinnützigen Verein mitzugründen, um arme Kinder in Kleve unbürokratisch zu unterstützen. Christian Schulte, der Schatzmeister des Vereins, berichtet, wie der Verein helfen konnte. “Es ging um eine Familie mit einer alleinerziehenden Mutter. Sie hatte mehrere Kinder, das Kleinste hatte kein Bett und keine Matratze”, berichtet er. Ein Kinderbett konnte im Bekanntenkreis aufgetrieben werden – KKN sorgte für eine neue Matratze. Aber es gehe auch um die Umverteilung von Zeit. “Wir haben Ehrenamtliche, die mit den Kindern etwas unternehmen, sich für sie einsetzen”, sagt er.

 

Wirtschaftliche Armut sei nämlich nur eine von mehreren Ebenen der Kinderarmut – darin sind sich alle Gesprächspartner der Zukunftswerkstatt einig. “Neben der wirtschaftlichen gibt es auch die soziale, emotionale Ebene und die der Bildungsunterstützung”, sagt Kleves Kämmerer Willibrord Haas.

Die Fakten für Kleve stellte Roswitha Reihs, Stellvertretende Fachbereichsleiterin im Bereich Jugend und Familie der Stadt Kleve, vor: In Kleve gab es Ende 2011 im Alter von bis zu sechs Jahren 2945 Kinder, im Alter von sieben bis 14 Jahren 3677. 844 davon leben in Familien, die Leistungen nach Hartz IV beziehen. Das entspricht etwa jedem achten Kind in Kleve. Reihs lobte das Bildungspaket der Bundesregierung, allerdings müsse auch dafür gesorgt werden, dass diese Hilfen auch tatsächlich angenommen werden.

Einen guten Einfluss hat die in den vergangenen Jahren vorgenommene Erweiterung der Schulzeiten: “Der offene Ganztag fängt viel auf”, so Marion Kurth, stellvertretende Geschäftsführerin des Awo Kreisverbandes Kleve. Allerdings stellt sie immer wieder fest, dass Kinder sich für ihre Armut schämen. “Dabei haben sie doch ein Recht darauf, zu leben, ohne sich darum Gedanken machen zu müssen.”

Eine wichtige Rolle bei der Förderung der Kinder aus benachteiligten Familien spielt die Förderung der Eltern. “Wir können die Eltern nicht erziehen, wir können aber den Kindern helfen”, sagt Ellen Rütter, seit 27 Jahren Erzieherin und Leiterin der Kindertagesstätte Christus König. Sie bietet beispielsweise Elternkurse an.

Petra Hähn, Sozialpädagogin im Karl-Leisner-Jugendcenter, spricht von einer Gratwanderung zwischen der Absicht, den Jugendlichen etwas Gutes zu tun oder die Bequemlichkeit der Eltern zu unterstützen. Auch Elmar Haal, Bereichsleiter für Kinderdorffamilien beim SOS-Kinderdorf Niederrhein, sieht den Fokus auf den bedürftigen Kindern. “Natürlich fragt man sich, warum die Kinder ein Handy haben, die Eltern aber das Mittagessen nicht bezahlen können”, sagt er. “Aber auf dieser Ebene kommen wir keinen Schritt weiter.”

“Wir brauchen alle, die hier mit am Tisch sitzen”, sagt Reihs. Und: “Wir müssen uns besser vernetzen”, sind sich alle Beteiligten einig. Schulte bringt es auf den Punkt: “Es kommt nicht auf Armutszahlen an, wenn nur ein Kind Hilfe braucht, müssen wir uns engagieren.”

Die Teilnehmer der Zukunftswerkstatt: Elmar Haal, Bereichsleiter für Kinderdorffamilien beim SOS-Kinderdorf Niederrhein, Willibrord Haas, Kämmerer der Stadt Kleve, Petra Hähn, Sozialpädagogin Karl-Leisner-Haus, Marion Kurth, Stellvertretende Geschäftsführerin Awo Kreisverband Kleve, Markus Möllmann, Vorsitzender Klever Kinder Netzwerk (KKN), Christian Schulte, Schatzmeister KKN, Roswitha Reihs, Stellvertretende Fachbereichsleiterin im Bereich Jugend und Familie der Stadt Kleve, Ellen Rütter, Leiterin Kindertagesstätte Christus König. Moderiert wurde die Veranstaltung von Frank Ruffing (Volksbank-Chef) und Matthias Graß (Rheinische Post)