Ärzte organisieren sich neu

Kön­nen Me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gungs­zen­tren das Ärz­te­pro­blem lö­sen? Das war die Fra­ge bei der Zu­kunfts­werk­statt von Rhei­ni­scher Post und Volks­bank Kle­ver­land. Die Teil­neh­mer mach­ten Hoff­nun­gen, aber kei­ne all­zu gro­ßen.

VON MARC CATTELAENS

Ärzte organiseren sich neu

KLE­VE | Es gibt zu we­nig Ärz­te  auf dem Land. Pa­ti­en­ten müs­sen lan­ge War­te­zei­ten in Kauf neh­men oder fin­den kei­nen Arzt, der sie in sei­ne Kar­tei auf­nimmt. Seit ei­ni­ger Zeit gibt es ei­nen Trend da­zu, dass Ärz­te sich in so ge­nann­ten Me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gungs­zen­tren (MVZ) or­ga­ni­sie­ren. Doch kann das hel­fen, den Ärz­te­man­gel zu be­he­ben? Dar­über dis­ku­tier­ten nun Ex­per­ten bei der Zu­kunfts­werk­statt.

Der Hin­ter­grund:  2003 wur­den MVZs als Ein­rich­tun­gen zur am­bu­lan­ten me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung ein­ge­führt. Das Prin­zip: Be­lie­big vie­le zu­ge­las­se­ne Ärz­te oder Psy­cho­the­ra­peu­ten kön­nen un­ter ei­nem Dach im An­ge­stell­ten­ver­hält­nis ar­bei­ten, was in den her­kömm­li­chen Pra­xen nur sehr ein­ge­schränkt er­laubt ist. Da­bei kann das me­di­zi­ni­sche An­ge­bot in­ter­dis­zi­pli­när, als Fach­rich­tung über­grei­fend sein. Im Kreis Kle­ve sind sol­che MVZs bis­lang aber noch sehr sel­ten.

Der Or­tho­pä­de Wolf­ram Alt­hof aus Kle­ve kennt sich in sei­ner Ei­gen­schaft als Vor­sit­zen­der der Ärz­te­kam­mer Kreis Kle­ve bes­tens mit dem Mo­dell aus. „Das un­ter­neh­me­ri­sche Ri­si­ko ist für den ein­zel­nen Arzt in ei­nem MVZ un­ter Um­stän­den ge­rin­ger. Ei­ne sol­che Ein­rich­tung bringt Vor­tei­le, et­wa beim Ein­kauf oder in der Ver­wal­tung. An­de­rer­seits muss ich als Arzt da­mit le­ben, das mein Kas­sen­sitz an das MVZ über­geht“, sagt Alt­hoff.

Theo­dor Pa­e­ßens, In­ha­ber des Pa­e­ßens Zahn­wel­ten Zahn­me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gungs­zen­trums Kal­kar und Kle­ve, ist froh, den Schritt zum MVZ ge­macht zu ha­ben. Zum 1. April hat er sei­ne Zer­ti­fi­zie­rung er­hal­ten. „Mit un­se­rer Ge­mein­schafts­pra­xis sind wir ir­gend­wann an or­ga­ni­sa­to­ri­sche Gren­zen ge­sto­ßen. Das MVZ hat sich da­bei als gu­te Lö­sung für al­le Part­ner er­wie­sen“, sagt er. Der Zahn­arzt fin­det, dass ein sol­ches Mo­dell ge­ra­de für den länd­li­chen Raum sehr at­trak­tiv sein. „Man muss sich nicht bis ans En­de sei­nes Le­bens an sei­nen Kas­sen­sitz bin­den“, sagt er. Das sei vor al­lem für jun­ge Kol­le­gen wich­tig, be­tont sein Sohn Fritz, ärzt­li­cher Lei­ter des Pa­e­ßens MVZ. Bei ihm ar­bei­te ein jun­ger Kol­le­ge aus Un­garn. „Der hät­te al­lei­ne hier si­cher kei­nen Kas­sen­sitz be­an­tragt. In un­se­rem MVZ ist er sehr fle­xi­bel. Er hat ei­nen nicht zu ho­hen Um­fang an Wo­chen­ar­beits­stun­den, den er sich auch noch ein­tei­len kann, wie er will“, sagt Pa­e­ßens.

Nor­bert Verw­ey­en, Re­gio­nal­lei­ter der KKH Ser­vice­stel­le Kle­ve,bringt noch wei­te­re Vor­tei­le ins Spiel. „Ge­re­gel­te Ar­beits­zei­ten undmehr Si­cher­heit sind schon mal gut. Aber ge­ra­de für jun­ge, weib­li­cheÄrz­te mit Kin­der­wunsch gibt es noch ei­nen wei­te­ren Vor­teil: Sie kön­nenin ei­nem MVZ leich­ter Stun­den re­du­zie­ren als als al­leinprak­ti­zie­ren­de Ärz­tin“.

Ge­or­gi­na Link ist ei­ne sol­che jun­ge Ärz­tin. Sie ist seit Märzap­pro­biert und wohnt der­zeit noch in Mün­chen und be­wirbt sich ge­raa­deals As­sis­tenz­ärz­tin – auch in Kle­ve. „Man kann ein MVZ schon als Ei­er le­gen­de Woll­mich­sau be­trach­ten“, sagt sie. Man müs­se sich so nicht für
im­mer an ei­ne Re­gi­on bin­den. „Statt­des­sen kann man erst­mal aus­tes­ten,ob man sich in der Pra­xis im MVZ wohl­fühlt, und ob die Re­gi­on zu ei­nempasst“, sagt sie. Wenn die Re­gi­on nicht at­trak­tiv sei, wer­de es schwie­rigÄrz­te von aus­wärts an­zu­lo­cken. Da sieht sie ei­nen gro­ßen Vor­teil desKle­ver­lands. Vie­le jun­ge Kol­le­gen sä­hen ei­ne Land­arzt­pra­xis als „Hor­ror­sze­na­rio“. „Die sind meist voll­kom­men über­lau­fen. Nach denSprech­stun­den muss noch ei­ne Tour übers Land ma­chen.“ In ei­nem MVZ kön­ne man hin­ge­gen Ver­ant­wor­tung ab­ge­ben und sa­gen: „Ir­gend­wann ist die Ar­beit auch mal zu En­de.“

Bernd Eb­bers, Ge­schäfts­füh­rer der Ka­tho­li­schen Karl-Leis­ner-Trä­ger­ge­sell­schaft, sieht durch­aus ei­ne Chan­ce in den MVZs für das Kle­ver­land. „Es gibt zur­zeit al­lein 16 va­kan­te Haus­arzt­sit­ze im Kreis Kle­ve. Die Haus­ärz­te fin­den kei­nen Nach­fol­ger“. Wenn ein Haus­arzt sei­nen Sinn recht­zei­tig vor dem ge­plan­ten Ru­he­stand in ein MVZ ein­brin­ge, kön­ne das hel­fen, wei­te­re Ärz­te an­zu­lo­cken, so Eb­bers. Er gibt al­ler­dings zu Be­den­ken: „Wir brau­chen auch je­man­den, der MVZs grün­det.“ Sei­ne Ge­sell­schaft  be­treibt der­zeit zwei. Eb­bers be­tont. „Wir ma­chen das, weil wir sonst die Ver­sor­gung nicht si­cher­stel­len könn­ten. Da blei­ben fi­nan­zi­ell kei­ne gro­ßen Be­trä­ge über“, sagt er.

Wolf­ram Alt­hoff be­stä­tigt: „Al­le Pra­xen, die nicht ver­kauft wer­den, sind Ein­zel­pra­xen.“ Er be­tont aber auch: „Ein MVZ bringt kei­ne hö­he­re Be­hand­lungs­fre­quenz, denn ein an­ge­stell­ter Arzt darf nur 40 Stun­den die Wo­che ar­bei­ten.“

Theo­dor Pa­e­ßens bleibt aber da­bei: „Die jun­gen Ärz­te wol­len nicht in die Selbst­stän­dig­keit. Da müss­te die Kas­sen­ärzt­li­che Ver­ei­ni­gung ein­sprin­gen und ih­nen da­bei hel­fen, mit fünf Kol­le­gen ein MVZ zu grün­den.“ Alt­hoff sieht auch den Kreis Kle­ve in der Pflicht. „Der Kreis
könn­te ak­tiv wer­den und et­wa Al­ten­hei­me an­spre­chen, um dort ein MVZ an­zu­sie­deln. Au­ßer­dem müss­te es Start­ka­pi­tal für die Aus­stat­tung ge­ben.“