KLEVE Für Anwälte, Ärzte oder Professoren führt kein Weg an Abitur und Studium vorbei. Aber für viele andere Berufe gilt: Am Anfang einer erfolgreichen Karriere steht die Duale Ausbildung. Die Stadt Kleve hat das schon lange erkannt. Bürgermeisterin Sonja Northing betont: „Wir bieten unseren Auszubildenden beste Chancen, fördern sie bis hin zum Masterstudiengang.“ Aber auch derjenige, der an die Ausbildung kein Studium anhängen möchte, habe heute vielfältige Chancen. „Wir bilden intern aus und weiter, haben einen Führungskräftelehrgang“, erläutert die Bürgermeisterin. Bei der Suche nach Auszubildenden, und um sich ansprechend zu präsentieren, setze die Stadt auf die Teilnahme bei der Jobbörse in der Klever Stadthalle und bei der Nacht der Ausbildung. „Viele wollen studieren, haben aber keine Vorstellung vom Beruf“, sagt Northing. Auch deswegen sei eine Ausbildung empfehlenswert.
Stichwort Jobbörse: „Wir waren überrascht, dass so wenige Handwerksunternehmen dabei waren“, sagt Michael Kumbrink, stellvertretender Vorsitzender der Klever SPD-Fraktion. Als Niederlassungsleiter des Personaldienstleisters Aditus in Kleve habe er festgestellt, dass viele aus dem Studium kommende Bewerber keine Ahnung von betrieblichen Abläufen hätten. „Es fehlt die Erfahrung“, sagt Kumbrink.
Auch aus diesem Grund empfiehlt Lukas Verlage, Geschäftsführer bei der Colt International GmbH, jungen Leuten, immer zuerst eine Ausbildung zu machen. „Man kann dann immer noch ein Studium aufsatteln“, sagt Verlage. Gerade im Handwerk sei die Duale Ausbildung unerlässlich und böte die Grundlage für gute Karrierechancen sowie ein ansprechendes Einkommen. „Was viele nicht wissen: Viele Handwerksbetriebe zahlen bessere Löhne als kaufmännische Unternehmen und das auch noch viel früher“, sagt Verlage. Der Colt-Chef ist überzeugt: „In zehn Jahren wird ein normaler Handwerker mehr verdienen als 70 Prozent der Studienabgänger.“
Prof. Dr. Eberhard Menzel, Beauftragter für die Funktion des Präsidenten an der Hochschule Rhein-Waal, appelliert an die Schulen, vor allen Dingen an die Gymnasien, die Begabungen der Schüler zu testen und sie auch für den Beruf und nicht nur fürs Studium vorzubereiten. „Am Gymnasium wird meist gar nicht Handwerkliches mehr gemacht“, sagt Menzel. Das sei ein Fehler; Menzel empfiehlt, spätestens vor dem Studium ein längeres Praktikum einzulegen. An vielen Hochschulen, auch in Kleve und Kamp-Lintfort, gebe es eine hohe Anzahl an Studienabbrechern. „Die müssen wir unterstützen und sie dazu geleiten, eine Ausbildung zu beginnen“, sagte der Professor. Auch im Vorfeld, sei mehr Beratung nötig. „Man weiß ja, das Viele ein Studium nicht schaffen“, sagte er. Bürgermeisterin Northing betont, dass die Stadt genau hier ansetze. „Wir haben ins Klever Schulmodell investiert. Dabei geht eine Person in die Schulen und berät die Schüler zu möglichen Berufen und Ausbildungswegen“, sagt sie.
Peter Janßen jun., Geschäftsführer des gleichnamigen Malerbetriebs aus Kleve, sagt: „Heute wird oft suggeriert, dass eine Karriere nur mit Studium geht. Das ist aber nicht so.“ Er kenne viele ehemalige Auszubildende, die heute als Meister tätig sind, teils angestellt und teils selbstständig, und dabei gutes Geld verdienen. Leider habe das Handwerk keine große Lobby.
Peter Wolters, Schulleiter des Berufskollegs des Kreises Kleve in Kleve, hat auch erst eine verkürzte Ausbildung absolviert, bevor er studierte. „Viele Schüler können diese Erfahrung gut gebrauchen. Das prägt die Persönlichkeit“, sagt er. In den vergangenen zehn Jahren sei die Hochschulausbildung „das Maß aller Dinge“ gewesen. Wolters: „Dabei haben wir gar nicht geschaut, was wirklich gebraucht wird.“ Er ist sich sicher: „Das Duale Studium ist das A und O.“
Michael Heyrichs von der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Kleve, ist der Meinung, dass gerade an der Realschule in der Kreisstadt die Schüler gut auf den Beruf vorbereitet werden. Joachim Rasch, der Klever Wirtschaftsförderer, pflichtet ihm bei, dass an den Gymnasien zu wenig in Sachen Berufsorientierung passiere. Auch Professor Menzel sieht das ähnlich. Er fragt: „Brauchen wir wirklich Latein und Französisch und dann noch eine vierte Sprache?“ Für ihn sollte mehr Wert auf naturwissenschaftliche Fächer gelegt werden.
Am Ende der Zukunftswerkstatt waren sich jedenfalls alle Teilnehmer einig: Eine fundierte Ausbildung, sei, mit oder ohne Abitur, am besten vor dem Studium, bietet beste Karrierechancen.
VON MARC CATTELAENS