Die „Zukunftswerkstatt“ von Volksbank Kleverland und Rheinische Post diskutierte über den Einzelhandel in der Innenstadt: Will Kleve eine Zukunft als Einkaufsstadt haben, muss sie mehr Mut zu Neuem finden.
VON MATTHIAS GRASS
Die „Zukunftswerkstatt“ von Volksbank Kleverland und Rheinische Post diskutierte über den Einzelhandel in der Innenstadt: Will Kleve eine Zukunft als Einkaufsstadt haben, muss sie mehr Mut zu Neuem finden.
VON MATTHIAS GRASS
KLEVE Es wurde Tacheles geredet in der jüngsten Zukunftswerkstatt – schließlich ging es für die Innenstadt um den Blick nach vorne, ums mögliche Überleben: „Zwischen Online Handel und Grenzland-Geschäft – Wie geht der Klever Einzelhandel in die Zukunft?“, lautete das Thema. Dabei war schnell klar: Es fehlt eine zentrale Figur als Sprecher des Klever Einzelhandels einerseits und es fehlt an Vertrauen der Händler untereinander andererseits. Dazu wird die Erfahrung gemacht, dass die Verwaltung nicht immer wie ein Uhrwerk läuft, die Bürokratie vieles erschwert und dass es Neugründungen schwer gemacht wird – von allen Seiten. Klar war auch schnell, dass man, will man konkurrenzfähig bleiben, Parkplätze braucht. Und zwar in der Nähe und möglichst zu ganz geringen Kosten. Andererseits waren aber auch alle überzeugt, dass Kleve das Zeug hat, sich nach dem Vorbild größerer Städte zu organisieren und sich damit zukunftsfähig zu machen. Es diskutierten unter der Moderation von Ludwig Krause, Leitender Regionalredakteur im Kreis Kleve, alteingesessene Händler in junger Generation wie Kiesow, vertreten durch Nina Kiesow, die auch Präsidentin des Handelsverbandes Lederwaren ist. Für die junge neue Händler- Generation stand eloquent der Geschäftsführer der Kaffeerösterei Joto & Coco, Eike Lehmann. Als Sprecher der alteingesessenen Klever Händlergemeinschaft gehörte Markus Breuckmann, 2. Vorsitzender der Straßengemeinschaft Kavarinerstraße, zur Runde. Für den Einzelhandel wichtig sind auch Anker- Filialisten, vertreten durch Anne- Maria Tenzer, Geschäftsführerin der Galeria Karstadt Kaufhof in Kleve. Und Tenzer brachte eine klare Botschaft mit: Das Kaufhaus hat Zukunft und Galeria werde das in Kleve vorführen – mit dem weitestgehenden Umbau, den der Klever Kaufhof je erlebt habe. Von Seiten der Stadt waren Kleves Bürgermeister Wolfgang Gebing und sein Wirtschaftsförderer Joachim Rasch gekommen.
Neues Klever City Netzwerk Es sei wünschenswert, wenn jemand eine solche Institution anstoßen würde, sagte Gebing: „Wir müssen überlegen, wie wir in der Stadt die Selbstorganisation des Einzelhandels anstoßen.“ Eike Lehmann warf ein, dass die Händlerschaft in Kleve vergleichsweise satt sei – die Not also gar nicht so groß. Aber, so Breuckmann: „Es braucht eine solche Einrichtung.“ Sicher sei es in der Kavarinerstraße einfach mit den vielen inhabergeführten Geschäften, aber letztlich sei es doch gut, wenn die Händlerschaft endlich mit einer Stimme sprechen könnte. Kiesow: „Wir brauchen das für die ganze Stadt. Es ist an der Zeit, ein Gremium zu schaffen, das die Interessen der Händlerschaft gegenüber der Stadt vertritt.“ Tenzer bestätigte das.
Probleme durch die Pandemie Nach dem ersten Lockdown habe es zunächst eine Schockstarre gegeben, dann sei man über Social Media zu den Kunden gekommen, habe sich ausgetauscht, auch Verkaufsquoten erreicht, über WhatApp sei man mit den Kunden verlinkt gewesen, schildert Nina Kiesow im Rückblick. „Es gab richtig positive Energie von den Kunden“, sagt die Geschäftsfrau. Doch dann kam mit dem zweiten Lockdown eine regelrechte Apathie. Der Kunde sei jetzt im zweiten Lockdown angesichts der vielen verschiedenen und stets wechselnden Beschränkungen total verunsichert, erklärte Lehmann. Alle waren sich einig, dass der Einkauf nach der Pandemie wieder zum Erlebnis werden müsse und man gleichzeitig den Online- Auftritt verbessern sollte.
Etwas Neues etablieren Eine Willkommenskultur habe sie in Kleve vor allem von ihren Kunden, hier auch von den vielen Niederländern, erfahren, aber kaum von der benachbarten Händlerschaft, sagt Tenzer. Da habe sie andernorts – Kleve ist ihre vierte Station als Leiterin einer Filiale – andere Erfahrung gemacht. Lehmann formulierte das griffiger: „Ich habe nicht das Gefühl, dass man als Neuer in Kleve gefördert wird. Man scheint sich in der Händlerschaft auch untereinander nicht grün zu sein“, sagt der Kaffee-Röster. Dabei habe Kleve das Zeug, „Big-City-Feeling“ in die Stadt zu bringen, wenn man zusammenarbeite. „Ich möchte zum Beispiel mit allen eine Modenschau über die komplette Kavarinerstraße als Event organisieren. Wir müssen Plätze schaffen, wo wir was unternehmen, etwas ausprobieren können“, sagt Lehmann. Gebing gibt ihm recht: „Wir müssen Dinge in der Stadt machen, die Leben bringen. Deshalb müssen wir auch innerstädtische Plätze zuerst entwickeln.“ Kiesow regte an, Beispielen in anderen Städten zu folgen, in denen die Stadt Leerstände anmietet, in denen sich Händler in Popup-Läden ausprobieren können. Dazu Gebing: „Leerstände in A-Lagen haben wir kaum, und dann hängt es letztlich an den privaten Vermietern.“ Joachim Rasch hat die Erfahrung gemacht, dass in Kleve Neues meist argwöhnisch beäugt werde. „Dabei bringt Neues neue Kunden in die Stadt“, sagt der Wirtschaftsförderer. Tenzer: „Wir alle profitieren letztlich von einer bunten, vielfältigen Stadt.“ Und da seien auch neue Gastro-Angebote sehr wichtig, wie beispielsweise ein frisches afé. Eike Lehmann zusammenfassend: „Wir brauchen junge Konzepte, und die Wege dahin müssen geebnet werden.“ Dazu Tenzer: „Wir müssen Abstand von der Denke bekommen: Das haben wir schon immer so gemacht. Man muss in die Gespräche gehen, den Menschen positiv begleiten – und dann ist es letztlich die Gemeinschaft, die uns, die Kleve ausmacht.“
Die Niederländer Seit drei Wochen ist die Frequenz mit den Kunden aus den Niederlanden wieder da – und alle sind froh. Aber Lehmann warnt: „Die Klever verlassen sich zu sehr auf den Niederländer, der von alleine kommt. Langfristig aber müssen wir uns anstrengen, müssen wir hier Dinge organisieren, die beispielsweise jetzt Klever nach Arnheim oder in deutsche Großstädte ziehen“, sagt Lehmann. Rasch möchte die Niederländer mit Infos über Kleve „bombardieren“. Tenzer: „Ich habe die Niederländer sehr schätzen gelernt, die auch unserem Umbau sehr aufgeschlossen begegnen.“
Parken Hier waren sich alle Händler einig: „Wir brauchen Parkplätze – und zwar nah und günstig.“ In einigen Geschäften denkt man über Aktionen nach, bei denen der Parkpreis erstattet wird. „Der Kunde will vor dem Geschäft parken“, sagt Eike Lehmann. Sicher habe er eine andere Markenphilosophie – aber es sei ein Ritt auf der Rasierklinge. Elst in den Niederlanden mache aggressiv Werbung mit freiem Parken. Kiesow bestätigt: „Der Kunde läuft nicht gerne.“ Gebing sagte, vor allem auch mit Blick auf die Niederländer: „Von Zevenaar aus kommt man nicht mit der Bakfiets.“ Es gelte dabei auch, die Wegführung von den Parkplätzen in die Stadt zu verbessern. Die muss klar und einladend gestaltet sein.