Die Volksbank Kleverland hat das Spoycenter gekauft und ambitionierte Pläne. Nicht die einzige Veränderung, die in der Innenstadt ansteht – da waren sich die Teilnehmer der Zukunftswerkstatt einig. Die Herausforderungen sind groß. Wie viel Schwung bringt die Landesgartenschau?
Zukunftswerkstatt
Große Chance für die Innenstadt
Rheinische Post vom 27.04.2024
Von Maarten Oversteegen
KLEVE - 20 Leerstände, eine mäßige Bausubstanz und kaum Grün – die Sorgen um die Klever Innenstadt sind groß. Und sie wachsen. Um dagegenzuhalten, gibt es in der Kreisstadt das „Integrierte Handlungskonzept“, das 2013 erarbeitet und 2017 fortgeschrieben wurde. Doch wie erfolgreich ist es? Was ist erreicht, was muss sich noch tun? Bei der Zukunftswerkstatt von Volksbank Kleverland und Rheinische Post diskutierten Experten über die Zukunft der Fußgängerzone.
Zwei Geschäftsfrauen, die in Kleve mit gutem Beispiel vorangegangen sind, heißen Sigrun Hintzen (Buchhandlung) und Susanne Rexing (Einrichtungshaus). Beide investierten mit Hilfe des Integrierten Handlungskonzeptes in die Fassade ihres Geschäftslokals, sie sorgten so für mehr Licht, Grün und erkennbare Konturen. „Ich hatte gehofft, dass andere Geschäftsleute nachziehen, wenn sie sehen, was um sie herum passiert. Passiert ist leider wenig“, sagte Hintzen. Zudem mahnte sie an, dass das Platzkonzept oder das Vorhaben „Junge Mitte“ umgesetzt werden müssten. Hintzen forderte: Die Stadt müsse über die WTM aktiver werden, Händler stärker an die Hand nehmen. Rexing sieht auch die Altersstruktur im Klever Einzelhandel als Problem – da scheuten nicht wenige Investitionen in die Optik des Geschäfts.
Ludwig Krause, Moderator der Gesprächsrunde, verwies auf die Künstlerin Elisabeth Tan, die Ende 2023 ein Buch veröffentlicht hat, das 70 Häuser in Kleve zeigt. Die Gebäude werden freistehend, also ohne Nachbarhäuser, ohne städtebaulichen Kontext abgebildet. „Als Klever kenne ich die Häuser, jahrelang bin ich an ihnen vorbeigelaufen – jetzt nehme ich sie anders wahr“, sagte Krause. Doch wie steht es um die Architektur im Zentrum? Architekt Friedhelm Hülsmann meinte: „Die Fußgängerzonen schauen europaweit fast identisch aus, die Klever Innenstadt ist so wie viele andere auch.“ Im Zweiten Weltkrieg war in der Stadt kein Haus stehen geblieben, in der Nachkriegszeit wurde vor allem günstig gebaut. „Wir haben so ein Stück weit unsere kulturellen Wurzeln verloren. Das ist eine Sehnsucht, die nicht zu unterschätzen ist.“ Auch Rexing sagte: „In der Nachkriegszeit wurde wenig sensibel mit Altbausubstanz umgegangen, es wurde zu viel abgerissen.“ Und: „Dabei brauchen wir diese Identität. Und zwar nicht nur, wenn wir vom Klever Ring aus die Silhouette mit Stiftskirche und Schwanenburg sehen, sondern auch, wenn wir die Große Straße hochlaufen.“
Doch warum wird nur wenig in die Aufwertung der Bausubstanz investiert? Der Klever Unternehmer Ingo Marks, der 20 Geschäfte in der Region führt, sagte: „Alles, was den Vermieter Geld kostet, ist erst einmal schlecht.“ Doch wenn er in ein Ladenlokal zieht, werde der Laden zunächst schön gestaltet. „Ich will keinen Rummelsladen haben“, sagte Marks. Bürgermeister Wolfgang Gebing meinte: Immobilieneigentümer, die aus Kleve stammen, hätten ein großes Verantwortungsbewusstsein für ihre Häuser, dann werde in vielen Fällen auch investiert. Bei Konzernen schaue das nicht selten anders aus. „Und das sieht man manchen Gebäuden auch an“, sagte der CDU-Politiker. Mit dem Integrierten Handlungskonzept sei eine Menge auf den Weg gebracht worden, zudem wurden etwa das Stadthallen- sowie das Bahnhofsumfeld zukunftsfit gemacht. „Aber es bleibt noch genug zu tun.“
Eine klassische Problem-Immobilie ist seit Jahren das Spoycenter. Dort stehen gleich mehrere Geschäftslokale leer, viele empfinden die Passage als Angstraum. Doch nun dürfte sich dort etwas tun: Wie Patrick van Oostveen, Prokurist der Volksbank Kleverland, berichtete, habe das Geldinstitut das Spoycenter gekauft. Man habe einen Architekten ins Boot geholt und wolle dafür sorgen, dass das Gebäude nicht länger als unansehnlicher Fremdkörper in der Stadt wahrgenommen werde. Nicht nur die Leerstände seien ein Problem, auch die Bausubstanz aus den Achtzigerjahren sei bröckelig. „Wir stelle n uns der Herausforderung“, sagte van Oostveen. Zumal sich das Spoycenter in Sichtweite zum Hauptsitz befindet, die Bank investiert also in die direkte Nachbarschaft.
Für mächtig Schwung soll auch die Landesgartenschau 2029 sorgen, den Zuschlag hat die Stadt in der vergangenen Woche bekommen. Bernhard Klockhaus, Leiter des Tiefbauamtes, erklärte, dass man die Innenstadt für das Großevent klimaresilient aufstellen wolle. „Es geht nicht um kleine, verstreute Bäume, die in 50 Jahren Schatten spenden. Man muss größer denken“, sagte er. Die Verwaltung gibt sich ambitioniert. „Wir werden nicht mit der Schippe kommen und alles umgraben. Aber Kleve wird ein anderes Gesicht bekommen.“
Auch der Bürgermeister sieht die Laga vor allem als Chance. Schließlich gibt es Fördermittel vom Land, und personelle Unterstützung von extern in einer noch zu gründenden Laga-Gesellschaft. „Wir können Projekte, die uns über Jahrzehnte beschäftigt hätten, konzentriert innerhalb weniger Jahre umsetzen“, sagte Gebing. Wichtig sei: Die Bürger sollen sich mit einbringen, den fünfjährigen Prozess unbedingt mitgestalten. Aus Sicht von Ingo Marks könne die Schau auch dem Einzelhandel nachhaltig helfen: Nicht nur, dass 2029 mehr als 500.000 Besucher erwartet werden. „Viele davon, die sehen, wie schön Kleve ist, werden auch wiederkommen“, so der Geschäftsmann.
Auch Architekt Hülsmann lobte die Verwaltung, die Landesgartenschau sei gleichkommend einer Vision für die Stadt. Er schlug vor, dass dabei auch der Dr.-Heinz-Will-Platz vor der Schwanenburg stärker genutzt wird. Er denke an einen Wettbewerb der Ideen. Um das Zentrum weiter voranzubringen, könne man ein Netzwerk bilden, in dem sich Ingenieure, Architekten, Kulturschaffende, Politiker oder Geschäftsleute einbringen. Auch Rexing war angetan von der Idee: Sie träume etwa von Gastronomie auf dem Platz.