Die Zahl der Leerstände wächst, die Landesgartenschau 2029 soll für die Trendwende sorgen. Doch kommt sie zu spät? Und wie wirken sich Baustellen aus? Bei der Zukunftswerkstatt von Rheinische Post und Volksbank Kleverland diskutierten Experten über die Herausforderungen für die City, verkaufsoffene Sonntage und innovative Mobilität.
Zukunftswerkstatt
Die Landesgartenschau wird das Gesicht der Klever City verändern
Rheinische Post vom 23.11.2024
Von Maarten Oversteegen
Die Landesgartenschau 2029 soll die Klever Innenstadt auf den Kopf stellen, Millionensummen sollen in den Umbau der Fußgängerzone fließen. Doch in Anbetracht von fast 30 Leerständen zwischen dem Platz an der Herzogbrücke und dem Marktplatz Linde drängt sich die Frage auf: Kommt die Offensive zu spät? Gaby Kreusch, Vorsitzende der Werbegemeinschaft Kavarinerstraße und Chefin des Wollgeschäfts yarndesign, warnte bei der Zukunftswerkstatt von Volksbank Kleverland und Rheinische Post: „Viele Geschäfte werden in den nächsten viereinhalb Jahren bis zur Laga wegbrechen.“ Die Rücklagen vieler Händler seien längst aufgebraucht. „Nicht alle werden die Kraft haben.“ Und dennoch sei das Großevent eine Chance – man müsse sie nutzen. Da waren sich die Experten einig, die unter dem Titel „Fit für die Zukunft? Wie die Landesgartenschau die Innenstadt verändern soll“ diskutierten.
Kleves Bürgermeister Wolfgang Gebing erinnerte daran, dass die Fußgängerzone aus den 70er- und 80er-Jahren stamme, sie müsse dringend attraktiver gestaltet werden. Nicht zuletzt, weil sich das Käuferverhalten verändert habe – heute spielt Aufenthaltsqualität eine größere Rolle. „Zudem werden wir den Klimawandel noch stärker erleben, weshalb wir Wasser und Bäume in die Stadt bringen müssen“, sagte Gebing. Die City habe man als Verwaltung sowieso im Blick gehabt – nun könne man sie aber in kürzerer Zeit und mit mehr Fördermitteln gestalten. Klar sei aber auch: „Das Ganze geht nicht ohne Baustellen.“ Darauf müssten sich die Einzelhändler einstellen. „Danach wird es aber besser“, sagte Gebing.
Er äußerte auch die Hoffnung, dass Händler die Baustellenzeit nutzen, etwa, um ihre eigene Hausfassade aufzuhübschen. Ihren Beitrag leisten will auch die Volksbank, die neuer Eigentümer des Spoycenters ist, das lange als Problem-Immobilie galt. Man wolle das Gebäude zügig angehen, damit es 2029 etwas hermacht. Prokurist Frank Ripkens sagte: „Wir stehen in den Startlöchern, um die Pläne zu konkretisieren.“ Und er warb dafür, zügig mit der Innenstadtumgestaltung zu beginnen – es sei wünschenswert, „Big Points“ zu nennen und diese dann gleich anzugehen.
Im nächsten Jahr soll es zunächst einen landschaftsplanerischen Wettbewerb geben, wenig später dann einen solchen für die Gestaltung der Innenstadt. Wie stark sich das Herz der Kreisstadt verändern wird, ist also noch nicht klar. Stadtplanerin Hannah Janßen warb dafür, Grundstrukturen zu erhalten. „Ich hoffe, dass man die Innenstadt nach den Arbeiten noch wiedererkennt“, sagte Janßen. Aus ihrer Sicht müsse man nicht die ganze Stadt aufreißen, vielmehr stünden punktuelle Änderungen im Fokus. Sie warnte davor, die Laga als Allheilmittel zu betrachten, aber sie sei ein Motor für Veränderung. Bernhard Klockhaus, Tiefbau-Chef im Rathaus, verwies darauf, dass man vor allem die Aufenthaltsqualität steigern müsse. Heute gehe es nicht mehr darum, Besucher zu Schaufenstern zu leiten. Zudem müsse man die Klimaresilienz stärken. Klockhaus versprach: „Wir wollen eine Laga der Stadtgemeinschaft. Daher werden wir Bürger und den Einzelhandel eng miteinbeziehen.“
Wie sich Städte mit Landesgartenschauen verändern, weiß Jan Sommer ganz genau. Der Mann aus Brünen ist Geschäftsführer der Laga-GmbH in Kleve. Eine Rolle, die er derzeit auch in Neuss (2026) ausfüllt, 2023 richtete er die Schau in Höxter aus. „Jede Stadt hat Besonderheiten und Potentiale, Kleve ist aber wahnsinnig gut für eine Landesgartenschau geeignet“, sagte Sommer. Immerhin sei die Stadt schon jetzt ein Hingucker. Die Planungswettbewerbe seien eine große Chance für Kleve, schließlich engagiere man die besten Architekten, die, so Sommer, „out of the box“ denken. Das Beispiel Höxter zeige, dass der Umbau der Innenstadt eine Herausforderung sei, langfristig aber profitierten alle Beteiligten, sagte Sommer. Während der Fokus in Kamp-Lintfort (2020) auf der Umwandlung eines früheren Bergbau-Areals lag, habe man es in Höxter viel mit Hochwasser zu tun gehabt. In Neuss wiederum stellen Kampfmittel die Planer vor Schwierigkeiten. „So hat jede Laga ihre Herausforderungen“, sagte Sommer. „Die Laga ist eine Chance, die noch nie da war, und die auch nie wieder kommen wird.“
Mathijs Driessen, Geschäftsführer der Galeria-Filiale in Kleve, sprach mit Sorge von einer längeren Baustelle vor seiner Tür. Aber: „Ich sehe viele Potentiale bei der Laga, und bin positiv gestimmt, dass es ab 2029 bergauf geht.“ Entscheidend sei, dass die Verwaltung den Handel früh und eng in die Planungen miteinbezieht, und dass man im Rathaus bemüht ist, das Vorweihnachtsgeschäft nicht zu sehr durch Baggerarbeiten zu stören. „Der Dezember ist ganz wichtig für uns“, sagte der Niederländer. Die Händler sprachen sich für mehr Sonntagsöffnungen aus, wobei Kreusch bemerkte: „Es ist schade, dass Verdi Kleve so stark im Blick hat.“ Die Gewerkschaft machte in der Vergangenheit immer wieder mit Klagen gegen verkaufsoffene Sonntage auf sich aufmerksam. Auch der Bürgermeister nannte das Ziel, drei bis vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr auszurichten. Drumherum muss die Stadt ein Event auf die Beine stellen, damit Richter die Pläne nicht kippen. „Wir sind bei den Anträgen aber professioneller geworden“, sagte der Verwaltungschef.
Die bauliche Struktur ist freilich nicht das einzige Problem des Einzelhandels. Vielmehr fehlt seit Jahren in Kleve ein Händlernetzwerk. Zwar gebe es Formate wie den Händlerstammtisch, der Bürgermeister aber meinte: „Es engagieren sich immer die gleichen Gesichter.“ Kreusch sieht es ähnlich. „Ein Problem ist die Mentalität, viele Händler haben den Kopf in den Sand gesteckt“, sagte die Unternehmerin. Andere wiederum würden ständig alte Zöpfe aufflechten, und so Fortschritt blockieren. Dabei sei die Lage alarmierend. „Ich habe in all den Jahren viele kommen und gehen sehen. Im Moment sehe ich nur Leute gehen“, sagte Kreusch. Der Trend gehe auch an der, so die Kleverin, „heiligen Kavarinerstraße“ nicht vorbei. Die Zahl der Leerstände wächst dort, nun will bald ein Goldhändler in eine leerstehende Immobilie ziehen – für eine Attraktivitätssteigerung dürfte der kaum sorgen.
Jan Sommer lobte, dass in allen Laga-Städten Eventreihen entstanden seien, die über die Schau hinaus Bestand haben. Und Bernhard Klockhaus schlug vor, aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn es schon zu Baustellen in der Fußgängerzone kommt, könne man sie nutzen – etwa für feierliche Baustellenfrühstücke. Das Ziel: Die Besucher trotz der Bagger in die City locken. Eine spannende Frage dürfte auch die Verkehrssituation werden. Denn: Wie sollen die etwa 500.000 Besucher gen Kleve finden? Gebing prognostizierte, dass die meisten mit dem Auto kommen werden. Zwar könne man das weitgehend leerstehende Parkhaus an der Hochschule nutzen, darüber hinaus müsse man aber Park-and-Ride-Flächen an den Stadträndern einrichten. Sommer rechnete vor, dass 70 bis 80 Prozent der Gäste mit dem Auto kommen, und an guten Tagen könne sich die Stadt auf 10.000 Besucher einstellen. Klockhaus stellte ein Mobilitätskonzept in Aussicht, und er schlug vor, über Shuttle-Verkehr nachzudenken – etwa vom Emmericher Bahnhof nach Kleve. Hannah Janßen sagte gar: „Wir sind dazu in Gesprächen.“ Zudem müsse man alles daransetzen, die Anreise zum Erlebnis zu machen. Auch dafür hat die Stadt schon eine Idee: Einschienenbahnen, besser bekannt als Monorail, könnten die Kreisstadt ansteuern.