Zukunftswerkstatt

Schützen mit Zukunftssorgen – „Wir müssen und wollen die Jüngeren machen lassen“

Frischer Wind für das Brauchtum – wie der Schützennachwuchs die Vereine beleben kann: Die Zukunftswerkstatt von Volksbank Kleverland und Rheinische Post blickte auf die Zukunft der Schützen. Es gibt Sorgen – und viele Lichtblicke.

Rheinische Post vom 28.09.2024

Schützen mit Zukunftssorgen
Es diskutierten Ex-Bürgermeister und Volksbank-Vertreter Theo Brauer, Julia Erkens, Brudermeisterin St. Hubertus-Schützenbruderschaft Reichswalde, Sonja und Stefan Welberts, Königspaar Schützenverein Rindern, Jürgen Cattelaens vom BSV 1924 Materborn, Bürgermeister Wolfgang Gebing, Ludger Jansen vom Bürgerschützenverein Materborn sowie Rolf Winkels und Ralf Meuwsen vom Kellener Schützenverein (v.l.n.r.). Begleitet wurde die Debatte von den RP-Redakteuren Maarten Oversteegen und Matthias Grass. Foto: Markus van Offern

Von Matthias Grass

„Frischer Wind für das Brauchtum – wie der Schützen-Nachwuchs die Vereine beleben kann“, hieß es bei der Zukunftswerkstatt von Rheinische Post und Volksbank Kleverland. In der Runde diskutierten neben Brauer, der auch die Volksbank vertrat, Jürgen Cattelaens vom BSV 1924 Materborn, Julia Erkens, Brudermeisterin der St. Hubertus-Schützenbruderschaft Reichswalde, Ludger Jansen, Geschäftsführer des BSV 1924 Materborn, Ralf Meuwsen und Rolf Winkels vom Kellener Schützenverein, Sonja und Stefan Welberts, Jubiläumskönigspaar des Schützenvereins Rindern 1924 und Kleves amtierender Bürgermeister Wolfgang Gebing (CDU) unter der Moderation von RP-Redakteur Maarten Oversteegen.

Schützenwesen – das sei mehr als nur Bier und Kirmes, wie die Öffentlichkeit oft das Bild vom Schützenverein reduziere. Das sei vor allem die Gemeinschaft, sagte Julia Erkens. Die Gemeinschaft im Ort, das Zusammenkommen, sich austauschen, die Seniorenabende. Aber auch das Feiern: Den Thron, die Kirmes und nicht zuletzt, wenn der König ausgeschossen wird.

Und beim Königsschießen gibt’s auch wieder genügend Kandidaten, die antreten, wenn es heißt: „Wer wird König?“. Das sagten alle unisono. Zum Schützenwesen gehört das Schießen. Luftgewehr oder Kleinkaliber auf Scheibe, der sportliche Wettbewerb. Wer aber sportliche Höchstleistungen als Schütze trainieren möchte, der sollte einen Sportschützenverein suchen – denn selbst beim Schießen überwiege die Geselligkeit, auch wenn die kirchlichen Bruderschaften ihre Meisterschaften regelmäßig ausschießen. Dennoch: „Schießen bedeutet Konzentration, Ruhe finden, sich auf ein Ziel fokussieren können – alles positive Dinge, die man schon als Jungschütze lernen kann“, warb Erkens auch für diesen Teil des Schützenwesens.

Der Schießsport ist aber auch der Teil, der den Vereinen finanziell zu schaffen macht: Immer striktere Vorschriften bis hinunter zum Luftgewehr müssen gewahrt werden, immer neue Vorschriften für die Aufbewahrung der Waffen sind zu befolgen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, immer wieder sind entsprechende Gutachten einzuholen und zu bezahlen. Ganz abgesehen von der Bürokratie, die dahinter steht. „Das kostet uns viel Zeit und Geld“, sagten Rolf Winkels, Jürgen Cattelaens und Ludger Jansen. Materborn hat hier mit der Gastwirtschaft Ratskrug einen Treffpunkt, dessen Kegelbahn man erfolgreich zum Schießstand ausgebaut hat – und der Kneipe auch noch einen weiteren Gastraum bescherte. Zumal sich der Ratskrug als Treffpunkt im Dorf halten konnte. Ein wichtiger Punkt: „Es steht und fällt natürlich auch mit einem solchen Treffpunkt“, sagte Jansen.

Dort nutzen jetzt drei Vereine den Schießstand. Darunter sind aber auch solche, die teils nur etwas mehr als zwei Dutzend Mitglieder haben – im Gegensatz zu den mehr als 400 Mitgliedern in den jeweiligen Vereinen in den Dörfern. „Wir haben in Kleve das Phänomen, dass der Schützenverein in den städtischeren Ortsteilen an Bedeutung verliert – siehe Kernstadt Kleve“, sagte Bürgermeister Gebing. Umso schöner sei es dann, wenn man in den Ortschaften erlebe, dass ganze Dorfgemeinschaften geschlossen hinter ihren Schützen stehen, führte der Bürgermeister weiter aus und nannte als Beispiele Keeken, Düffelward oder Donsbrüggen, ebenso Reichswalde.

Sorgen bereiten den Schützen aber auch veränderte Lebensumstände: „Wenn wir heute die Kinder in die Vereine holen möchten, dann haben sie schon einen kompletten Arbeitstag in der Schule hinter sich, sind müde“, sagte Cattelaens. Das erschwere die Jugendarbeit. Dennoch gelinge es immer noch, viele junge Menschen einzubinden – beispielsweise als Jungschützen. Auch habe jüngst ein junger König viele neue junge Schützen mitgebracht.

Man wächst im Dorf zusammen. Zumal es dort, so Erkens und Jansen, durchaus üblich sei, dass die Kinder schon direkt angemeldet sind, kaum dass sie das Licht der Welt erblickt haben. „Das ist da Ehrensache“, sagte Brauer. Wichtig sei es schließlich auch, die Jungen machen zu lassen. Und wenn sie beim Schießen den Vogel auf den Kopf stellen wollen? „Bitteschön – dann sollen sie das. Es ist ja auch ihr Schießen. Wir müssen und wollen die Jüngeren machen lassen“, sagte Cattelaens.

Stefan Welberts lobte die Tradition. Wie das Wecken des Königs, das Abholen, auch das Kränzen. Alles auch Veranstaltungen, die wieder zur Gemeinschaft beitragen. Angst vor horrenden Kosten müsse man nicht haben, wenn man den Vogel abgeschossen hat und König ist, sagte nicht nur Welberts. Es gibt Zuschüsse, vieles wird umgelegt und endlos Rundengeben gehöre der Vergangenheit an, sagte Erkens. Letztlich liege es an jedem Schützenkönig selbst, wieviel er investiere. „Es soll ja für alle erschwinglich sein“, fügte Sonja Welberts an.

Dass Frauen bei den Schützen mitmachen, ist im Kleverland eine Selbstverständlichkeit, erklärte Ralf Meuwsen. Da gebe es keine Diskussion, egal in welchen Belangen. Und auch die Mitgliedsbeiträge halten sich in Grenzen – 48 Euro für eine Person im Jahr oder 82 Euro für die ganze Familie, so Winkels. Und irgendwann, dann kaufe man sich auch den grünen Rock und den Hut. Oder es geht wie beim Kinderkönig: Der bekam einen Hut vom Vorsitzenden verpasst (mit Zeitung im Hutband, damit er hält). Der Kleine hatte ja ganz zu Recht gesagt: Ein Schützenkönig ohne Hut geht doch nicht, erzählte Cattelaens. Wenn das nicht noch Tradition wird...