Kleve Es war die Zeit der Neuen Deutschen Welle in der alten Bundesrepublik Deutschland, als Anfang der 80er Jahre Ina Deter ihr „Neue Männer braucht das Land“ den drei bundesrepublikanischen K’s „Kinder – Küche – Kirche“ entgegenschmetterte. Es sind bis heute diese neuen Männer, die das Land braucht, damit starke Frauen ihre Aufstiegschancen wahrnehmen können. Das wurde bei der Zukunftswerkstatt von Rheinische Post und Volksbank Kleverland offenbar, in der elf Frauen in Führungspositionen aus Wirtschaft und Verwaltung über den für Frauen oft so schweren Karriereweg diskutierten.
Im Rückblick brachte Kalkars Bürgermeisterin Britta Schulz, die zur Zeit des Deter-Songs vom Studium nicht ins Arbeitsleben kam, das damalige Denken auf den Punkt: „In der Regel blieb die Frau zuhause bei den Kindern, obwohl sie die gleiche Ausbildung hatte, wie der Mann“, sagte sie. Heute würden ihre Töchter aber keinesfalls auf den Beruf verzichten wollen. Auch Ex-Umweltministerin Barbara Hendricks musste sich Ende der 70er Jahre in einem männerdominierten öffentlichen Dienst durchsetzen. Sie wurde jüngste Referatsleiterin und schließlich Bundes-Umweltministerin. Sicherlich habe sich sehr viel getan und es gelinge immer mehr Frauen, im Beruf voranzukommen – bis die Kinder kommen, sagte Maria Paeßens.
„Dann bleiben die Frauen bei den Kindern und im Scheidungsfall die Kinder bei den Frauen“, sagte sie. Als Arbeitgeber möchte Paeßens durch flexible Arbeitszeiten ihren angestellten Ärztinnen entgegen kommen. „Frauen können in Ruhe arbeiten, wenn sie wissen, dass die Kinder gut versorgt sind“, sagte Paeßens. Das bestätigte Christiane Behrens: „Frauen haben sich auf der Baustelle längst als die besseren Bauleiter durchgesetzt, aber wenn Kinder kommen, dann bleibe die Zuständigkeit bei der Frau.“
Julia Niggemann bedauerte, dass diese Rollenverteilung weiter so ist, wie sie ist. Doch auch die Frauen müssten sich mehr trauen und offensiv die besseren Posten anstreben. Das unterstrich auch Silke Gorißen: „Frauen hinterfragen sich zu oft kritisch und haben dann das Nachsehen, wenn Männer schneller nach vorne preschen und Frau sich zudem noch ums Kind kümmern muss.“ Wobei Gorißen und Julia Lörcks betonten, dass gerade in jungen Familien die Frauen die Unterstützung der Männer inzwischen häufig auch bekommen: „Hinter starken Frauen stehen immer starke Männer“, sagte Lörcks.
Frank Ruffing warf in die Diskussion, er habe im Osten nach dem Mauerfall andere Erfahrungen mit den dortigen Kolleginnen gemacht. „Im Osten wurde viel mehr von Frauen getragen“, sagte Ruffing. Hendricks bestätigte, dass die meisten originär deutschen weiblichen DAX-Vorstände aus den neuen Bundesländern stammen.
Claudia Derks berichtete vom Wandel im Westen: Auf ihrem Weg an die Spitze der Stadtwerke habe sie Gleichbehandlung erfahren. „Nicht weil ich Frau bin, sondern weil ich qualifiziert bin“, sagte sie. Während sie vor 30 Jahren oft noch die einzige Frau bei überregionalen Treffen von Managern aus Stadtwerken war, sehe sie dort immer mehr Frauen.
„Ich bin seit 30 Jahren dabei, das Frauenbild zu verändern – aber wir müssen auch das Männerbild verändern. Der Mann muss bereit sein, für seine erfolgreiche Frau zurückzutreten“, sagte Britta Schulz. Nina Kiesow sagte, dass frau ohne Unterstützung für die Kinder in Gefahr laufe, in die Teilzeitfalle zu tappen und dann ein Berufsleben lang nicht mehr herauszukommen. Sonja Northing verwies da auf die guten Betreuungsquoten in der Stadt Kleve. Sie versicherte zudem, dass Kleve auch in die Betreuung von Schulkindern investiere und die Grundschule an den Linden mit dem rhythmisierten Ganztag vorbildlich arbeite. Nach Beiträgen von Yvonne Tertilte-Rübo zeigte sich allerdings die Lücke zwischen Wirtschaft und öffentlicher Dienst.
Dass sich einiges geändert habe, zeige, dass „Tagesmutter“ und „Rabenmutter“ nicht mehr als Schimpfworte betrachtet werden, so Behrens. Letztlich müssten sich Frauen trauen, in leitende Funktionen zu gehen (so Niggemann) auch wenn der Wind dort in den oberen Etagen kräftig blase (so Gorißen). Man werde sie dort auch angesichts des Fachkräftemangels dringend brauchen, sagte Dercks. Und da müssen dann auch die Männer hilfreich sein – doch bis man bei wirklich gleichen Voraussetzungen angekommen sei, gelte es noch sehr dicke Bretter zu bohren. „Und dafür brauchen wir als Vorbilder Frauen, die sich trauen“, so Niggemann.
Von Matthias Grass, RP ONLINE