Zukunftswerkstatt

Was ändert sich 2024 in Kleve?

Die Zeiten, in denen die Stadt Kleve ihre Zukunftsplanung ungeachtet internationaler Krisen vorantreiben konnte, sind vorbei – wenn es sie denn je gegeben hat. Der Ukraine-Krieg, der Nahost-Konflikt, der Klimawandel oder die Migration bereiten Sorgen. Die Experten gaben sich bei der Zukunftswerkstatt von Volksbank Kleverland und Rheinischer Post dennoch zuversichtlich: Kleve sei auf einem guten Weg. Wenn man sie offen und mutig angeht, könnten die großen Trends dieser Zeit eine Chance sein. Ein Überblick.

Rheinische Post vom 03.02.2024

Was ändert sich 2024 in Kleve | Die Teilnehmer der Zukunftswerkstatt
Es debattierten (v.l.) Ludwig Krause (Regionalleiter RP), Claudia Dercks (Geschäftsführerin Stadtwerke), Bürgermeister Wolfgang Gebing, Julian Holtzhausen (Geschäftsführer Volksbank Immo-Center), Severin-Peter Seidel (Vorstand Volksbank Kleverland) und Maarten Oversteegen (Redakteur RP). RP-Foto: Markus van Offern

Von Maarten Oversteegen

Energie

Stadtwerke-Geschäftsführerin Claudia Dercks gab sich mit Blick auf die Energiepreise zuversichtlich. „Es gibt eine klare Tendenz: Die Märkte beruhigen sich, wenngleich es weiter geopolitische Risiken gibt.“ In der Vergangenheit habe man großen Wert auf eine konservative Preispolitik gelegt, das habe sich bezahlt gemacht. „Und wir werden auch weiterhin die Risikominimierung im Blick haben“, sagte Dercks. Sie hofft, noch in diesem Jahr mit dem Bau der zwei Hektar großen Freiflächen-Solaranlage auf dem Heidberg in Materborn beginnen zu können. Die Stadtwerke arbeiten zudem daran, Projekte für erneuerbare Energien so zu gestalten, dass sich Bürger finanziell beteiligen können. „Die Energiewende ist eine gigantische Aufgabe. Da wollen wir die Menschen in der Region mitnehmen“, sagte Dercks. Und: Der Stromverbrauch werde in den nächsten Jahren weiter steigen, daher müsse auch die Netzinfrastruktur ausgebaut werden. Bürgermeister Wolfgang Gebing erklärte, dass die Stadt für Bürgerwindparks „ganz offen“ sei. Aber: „Problematisch ist in Kleve die Genehmigungsfähigkeit. Daher verspreche ich mir vom Thema Windkraft nicht allzu viel, da in Kleve leider nur wenige geeignete Flächen vorhanden sind.“ Jedoch wolle man als Stadt Solaranlagen auf Freiflächen ins Visier nehmen.

Wohnen

Julian Holtzhausen, Geschäftsführer des Immo-Centers der Volksbank Kleverland, erkennt eine steigende Nachfrage auf dem hiesigen Immobilienmarkt. „Die Kaufpreise und die Nachfrage waren gefallen. Doch seit dem letzten Quartal 2023 läuft es wieder extrem gut“, sagte Holtzhausen. Derzeit seien 24 Objekte in der Vermarktung, darunter die Neubausiedlung in Reichswalde. Für Zuzug sorgen vor allem zwei Gruppen. „Es kommen Menschen aus dem Ruhrgebiet, die durch Home-Office die Möglichkeit sehen, aufs Land zu ziehen – zumal die Preise hier noch erschwinglicher sind“, sagte Holtzhausen. Zudem gebe es viele junge Menschen, die aus der Region stammen und bleiben wollen. „Für sie braucht es dringend weitere Grundstücke“, so Holtzhausen. Das unterstrich auch Volksbank-Vorstand Severin-Peter Seidel. „Junge Leute bleiben hier, sie kommen aber an den Punkt, an dem sie Eigentum schaffen wollen. Und dafür müssen wir Angebote vorhalten“, sagte Seidel. Die Nachfrage von Niederländern, die sich im Kreis Kleve niederlassen wollen, sei indes zurückgegangen. Und was wird aus dem Hallenbad-Gelände? Gebing wies darauf hin, dass die weitere Entwicklung stark von einer Bodenuntersuchung abhängig sei, in der Folge könne man das Baufeld konkretisieren. „Es gab Verzögerungen wegen der Regenfälle im Spätsommer, das Grundwasser stand zu hoch, um abschließende Aussagen zu treffen“, sagte der CDU-Politiker. Es sei jedoch wichtig, neuen Wohnraum zu schaffen. Auch, weil die Migration nicht abebbt. Man müsse Verdrängungseffekte vermeiden, sagte Gebing. „Beim sozialen Wohnungsbau sind wir in Kleve ganz gut aufgestellt. Aber es gibt eine leichte Tendenz, dass mehr Wohnungen aus der Preisbindung fallen als neue entstehen. Da müssen wir gegensteuern, sonst bekommen wir soziale Probleme“, sagte Gebing. Vor allem im Bahnhofsumfeld werde weiter gebaut, entlang der Gleise, etwa auf dem früheren Bettray-Gelände. „Außerdem glaube ich, dass wir Geschosswohnungsbau in den Ortsteilen brauchen“, sagte Gebing. In der Vergangenheit hatte sich vor allem die CDU im Rat dagegen gewehrt.

Wirtschaft

Nach der Insolvenz des Straelener Bauunternehmers Hermann Tecklenburg fragen sich viele, ob weiteren Firmen der Branche die Zahlungsunfähigkeit droht. Banker Seidel erklärte, eher von „einzelnen Ausreißern“ auszugehen. „Sicherlich wird es einige Projektierer und Bauunternehmer treffen, denen die Zinssteigerung auf teils bis zu fünf Prozent wehtut. Schlussendlich wird aber der Mittelstand gewinnen, zumal die Zinsstruktur wieder normaler wird“, sagte Seidel. Auch der Bürgermeister sah für hiesige Firmen keine großen Gefahren. „Zumal Klever Bauunternehmen stark im Bauen für die öffentliche Hand sind“, sagte Gebing. Und der Staat investiert weiter, etwa in Schulen und Sportstätten. Seidel forderte, dass es für Private wieder reizvoller werden müsse, mutig auf dem Markt zu agieren. „Fakt ist: Unternehmen verlassen Deutschland. Daher müssen wir Anreize setzen, um Investoren zu halten und neue zu locken“, sagte Seidel. Gebing sieht noch ein anderes Problem. „Das Steuer- und Lohn-Niveau in Deutschland ist hoch, das war im Vergleich aber schon immer so. Wir waren aufgrund anderer Faktoren attraktiv für Investoren, etwa wegen unserer starken Verkehrsinfrastruktur“, sagte Gebing. Doch die Substanz bröckele. „Da müssen wir jetzt sehr aktiv werden, sonst ziehen andere Länder an uns vorbei.“ Über den Fachkräftemangel klagt die Wirtschaft seit Jahren. Und auch im Rathaus sorgt man sich um den Nachwuchs, vor allem Stellen im technischen Bereich sind schwer nachzubesetzen. „Betriebe und Verwaltung müssen heute eine Menge tun, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein“, sagte Gebing. Das Thema Work-Life-Balance sei entscheidend für den Nachwuchs.

Zentrum

Die Fußgängerzone müsse fit gemacht werden für den Klimawandel, sagte Gebing. So wirke man auch Leerständen entgegen. „Wir müssen klimaresilienter werden“, sagte Gebing. Entscheidend dafür seien zwei Vorhaben. Im Zentrum müssten Bäume und Pflanzen mehr Raum bekommen. Zudem wolle man das Element Wasser in die Stadt bringen. Diese Ziele seien mit einer Ausrichtung der Landesgartenschau 2029 deutlich schneller zu erreichen, sagte der Verwaltungschef. Die Bewerbung wird derzeit erstellt. Allzu viel könne 2024 aber noch nicht umgesetzt werden. „Das wird eher ein Jahr der Planung.“ Für eine Unterführung am Bahnhof liegen wie berichtet konkrete Pläne vor. „Wir brauchen diese Unterführung unbedingt“, sagte Gebing. Man hoffe, mit der Bahn zu einer Lösung zu kommen und sei in entsprechenden Gesprächen. Der Kontakt gestaltete sich in der Vergangenheit aber schwierig. Teile der Lokalpolitik hatten zuletzt bereits moniert, dass die Kosten für die geplante Unterführung ausufernd sein könnten, wenngleich noch keine Zahlen vorliegen. Der Bürgermeister erklärte, dass man auf Fördermittel hoffen könne. Und: „Ich weiß nicht, weshalb es in Kempen oder Geldern solche Unterführungen gibt, das für Kleve aber nicht möglich sein sollte.“