Zukunftswerkstatt

Die Zukunft ist partnerschaftlich

Wer macht Karriere, wie geht moderne Familienplanung und vor allem: Wo steht unsere Gesellschaft? Die Zukunft ist weiblich - Frauen in Spitzenpositionen war das Thema der Zukunftswerkstatt von Volksbank Kleverland und RP.

VON MATTHIAS GRASS

Die Zukunft ist partneschaftlich
Katrin Jungclaus, Alexia Meyer, Ludwig Krause, Heike Liebeton, Sigrun Hintzen, Matthias Grass und Silke Gorißen (v.l.) auf dem Weg in die Zukunftswerkstatt. RP-Foto: Gottfried Evers

KLEVE| Frauen müssen in der Regel immer noch noch härter arbeiten, als ihre männlichen Kollegen, um Führungspositionen zu erreichen. Sie wählen mit Blick auf die Familienplanung aber auch den sicheren Job, der mehr Flexibilität und damit die Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf ermöglicht – aber in der Regel nicht den großen Karrieresprung verspricht. Frauen, die eine Spitzenposition anstreben, etwa in der Politik, sind auf dem Weg dorthin heftigsten, auch sexistischen, Anfeindungen ausgesetzt. Und: Frauen in Führungspositionen sind Vorbild – sie zeigen, dass es geht.

Das sind einige der Kernthesen einer intensiven Diskussion zum Thema „Die Zukunft ist weiblich – Frauen in Spitzenpositionen“ unter der Moderation von RP-Redaktionsleiter Ludwig Krause in der Zukunftswerkstatt von Rheinischer Post und Volksbank Kleverland. Aber auch das sagen Frauen in Spitzenpositionen: Die besten Arbeitsgruppen sind keine reinen Männer- oder Frauenclubs sondern heterogen besetzt. „In solchen Gruppen lässt sich am besten arbeiten“, erklären Kathrin Jungclaus und Heike Liebeton.

Kathrin Jungclaus ist die Präsidentin des Landgerichts in Kleve, die erste Frau an der Spitze seit Bestehen des Gerichts in der Schwanenstadt. Sie bestätigt, dass die Juristerei weiblicher wird. 1919 durften Juristinnen erstmals das Staatsexamen ablegen. Inzwischen schreiben sich mehr Studentinnen ins erste Semester ein als Studenten. Aber: „Sie suchen mit Blick auf die Work-Life-Balance eher den sicheren öffentlichen Dienst als die 160.000-Euro-Stelle in der Großkanzlei“, sagt die Landgerichtspräsidentin. Im öffentlichen Dienst seien sie als Richterinnen gut repräsentiert. So gut, dass Jungclaus inzwischen Männer für den Richterberuf sucht. Denn: „Wir müssen schauen, dass wir die Positionen gleich besetzt haben“, sagt sie. In der Führungsebene seien aber immer noch weniger Frauen als Männer vertreten. „Das wächst durch, aber zäh“, sagt die Juristin.

Heike Liebeton ist Abteilungsleiterin der Privatkundenberatung in der Volksbank Kleverland. Sie begann in Emmerich und machte dann in der Volksbank Klever­land Karriere. Für Liebeton kam zuerst der Beruf, später bekam sie Kinder. Und die waren nicht der Karriere-Killer: Sie sei in ihrem Beruf anerkannt gewesen und nach dem Mutterschutz wieder zu ihren Bedingungen aufgenommen worden. Mit Homeoffice, als das Arbeiten zuhause noch gar nicht diesen Namen führte.

„Ich habe aber das Gefühl, dass sich auch die Männer ändern“, sagt Liebeton. Einerseits: Sie erkennen Frauen als Vorgesetzte selbverständlicher an. Andererseits: Männer akzeptieren heute, beruflich eine Zeit zurückzustecken und den Haushalt mit Kind zu „schmeißen“. Selbst mit dem Risiko, immer noch der Quotenmann auf dem Spielplatz zu sein und das Obst in Spalten geschnitten zu bekommen. Sie mahnt: „Wir Frauen müssen dann auch lernen loszulassen – loszulassen vom Haushalt und von der Organisation der Familie und zu akzeptieren, wie der Mann das macht“. Die These „Die Zukunft ist weiblich“ würden die Teilnehmerinnen dann auch umformulieren: „Die Zukunft ist partnerschaftlich.“

Das bestätigt auch Silke Gorißen, einzige Landrätin in der Region und erste Landrätin im Kreis Kleve überhaupt. Sie musste loslassen, denn unmittelbar nach der Wahl hatte sie es schon mit den drastischen Auswirkungen der Corona-Krise im Kreis Kleve zu tun. Die Juristin musste dabei nicht nur das Impfzentrum aufbauen. Krisenmanagement war gefragt und die Landrätin war allzu oft rund um die Uhr unterwegs.

Als sie zuvor im Wahlkampf stand, war Gorißen derben Attacken im Internet ausgesetzt – teils tief unter die Gürtellinie. Weil sie es wagte, als Frau und Mutter die Spitze des Kreises anzustreben. „zuerst habe ich gedacht, ich sitze das aus und gönne denen nicht die Aufmerksamkeit“, sagt sie. Doch dann wurde es irgendwann zu viel, die Rechtsanwältin drohte mit Klage und die Pöbeleien ließen nach. „Aus heutiger Sicht hätte ich vielleicht schon viel eher diesen Schritt gehen sollen“, sagt sie.

Und mit Blick auf die Krise: „Da haben viele Frauen zurückgesteckt, sich ums Homeschooling gekümmert, um die Organisation der Kinder und der Familie“. Es gebe viele individuelle Entscheidungen: oftmals geben wirtschaftliche Faktoren den Ausschlag, dass der oder die mit dem kleineren Gehalt verzichten muss – und das sind zu oft die Frauen. „Die ganzen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Familien, auf die Gewalt auch gegen Kinder und Frauen liegen dabei noch nicht auf dem Tisch“, sagt Gorißen.

„Der Familienverantwortliche steckt zurück – und das ist in der Regel die Frau, die sich dafür in der Verantwortung fühlt“, sagt Alexia Meyer, Fachbereichsleiterin beim Caritasverband Kleve. Auch sie habe zuerst ihre berufliche Position aufgebaut, sei spät Mutter geworden und dann wieder in die leitende Position zurück. Der Weg das Kind früher zu bekommen, sei viel schwieriger: Hier drohe allzu oft der Karriereknick durch die Baby-Pause.

Sie habe in ihrem Beruf überwiegend mit Frauen zu tun, die den Teilzeitjob, den die Caritas in der ambulanten Alten-Pflege biete, annehmen, weil der ihnen Freiräume lasse bei der Organisation der Familie: „Frauen wollen immer noch ihren Job einerseits und andererseits die Familie wahren“, sagt Meyer. Ein schwieriger Spagat. Aber: früher sei die Leitung zu 95 Prozent in Männerhand gewesen. „Das hat sich geändert“, sagt sie.

Wie Liebeton sieht sie auch ein geändertes Verhalten der Männer: „Die sind offener, als wir denken.“ Auch beim Blick auf die Frau als Chefin. Aber: Männer und Frauen hätten unterschiedliche „warm-ups“ vor Gesprächen: „Hier die Bundesliga, dort Taschen oder Schuhe“, sagt sie – und lacht über die Verkürzung als These. leider müssten es sich immer noch die Frauen schwerer machen: „Ich muss fleißiger sein, um nach oben zu kommen“.

Sigrun Hintzen ist seit über 21 Jahren im Kulturbereich unterwegs und leitet die Konzerte der Stadt Kl­ve. Das sei eine freie Tätigkeit, die aber auch auch flexibel und kindertauglich sei, sagt die mehrfache Mutter. „Anfangs war ich immer mit dem Kinderwagen unterwegs“, blickt sie zurück. Hintzen erkennt, dass einiges im Wandel ist, dass sich langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass Frauen die Arbeit genauso gut können wie Männer – und umgekehrt. Aber: „Bei Teilzeit ist man oft raus aus der Karriere“. Für Hintzen muss die Zukunft zwingend partnerschaftlich aussehen: „gemischte Teams sind besser – und wir müssen auf Augenhöhe agieren.“ Liebeton unterstreicht das: „Es braucht heterogene Führungshierarchien“. Mit anderen Worten:

Und noch eins: „Wir müssen anerkennen, dass Netzwerken nichts Negatives ist“, sagt Jungclaus. Auch Frauen müssen ihr Netzwerk haben. Nicht nur als Motor für die Karriere, sondern vor allem als gegenseitige Hilfe, sagt sie.